Eva Pantleon Das Leben irgendwo dazwischen

Eva Pantleon – Das Leben irgendwo dazwischen – Review

Das Artwork und der Titel des Debütromans „Das Leben irgendwo dazwischen“ der Autorin Eva Pantleon deuten auf einen leichten Liebesroman hin. Umso schöner und überraschender, dass es viel mehr ist. Wir sind nah an der Seite der Doktorandin Dido aus Hamburg, deren innere Zerrissenheit schon auf den ersten Seiten deutlich wird.

Nach langer Zeit begegnet sie ihrer alten Liebe Lukas und auch der befreundete, schon betagte, Buchhändler Hans wird mit seiner Vergangenheit konfrontiert. Über 461 Seiten webt die Autorin eine tiefgründige Geschichte, die in mehreren Ländern spielt, unterschiedliche Zeiten verknüpft und unterm Strich doch klarmacht, dass Liebe und Leben schon immer kompliziert waren und die Vergangenheit immer auch die Zukunft beeinflusst.

Das Leben besteht zum Großteil aus Graustufen

Der nicht sonderlich vielversprechende Start von „Das Leben irgendwo dazwischen“ – Junge Frau trifft Ex-Freund – nimmt sehr schnell Fahrt auf und wandelt sich von Seite zu Seite zu einer Idee davon, aus welchen Gründen Menschen welche Entscheidungen für ihr Leben treffen und was daraus werden kann. Eva Pantleon gelingt es, mit einer feinen Sprache, die allerdings nicht überfordert, mehrere Protagonist*innen lebendig und mit auffällig vielen Details zu beschreiben. Mühelos erscheint von allen ein Bild vor dem inneren Auge und man kann ihre Handlungsspielräume grob abschätzen. Auch die, durch die unterschiedlichen Generationen bedingten, Unterschiede im Hinblick auf Sprache und Verhalten, behält die Autorin gut im Blick.

Reden hilft, Ignorieren nicht

„Das Leben irgendwo dazwischen“ wirkt gerade deshalb realistisch und selbst wenn Dido die Hauptperson und somit unser Dreh- und Angelpunkt ist, wird die Geschichte doch gemeinschaftlich durch alle, fast zu gleichen Teilen, nach vorne getrieben. Durch die wechselnden Perspektiven und unterschiedlichen Schauplätze bleibt der Roman kurzweilig. Im Prinzip ist der Roman auch ein kleines Statement, gegen die immer enger werdende Debattenkultur, die nur nach Schwarz und Weiß verlangt. Das Leben besteht aber zum Großteil aus unterschiedlichen Graustufen. Das Ziel ist wohl, so weit wie möglich im hellen Bereich zu bleiben.

Die Zeit im Blick behalten

Selbst wenn man das Ende von „Das Leben irgendwo dazwischen“ schnell vorhersehen kann, dann macht es doch Spaß die einzelnen Erinnerungen wie Memorykarten aufzudecken und Zusammenhänge immer besser zu verstehen. Eva Pantleon geht vollkommen wertfrei an die Geschichte heran, verurteilt nichts und gesteht allen mindestens eine gute und eine böse Seite zu. In den richtigen Momenten verliert sie den trockenen, realistischen Pfad und streut einen Hauch Poesie oder Märchen ein. Das tut sie vorrangig durch das schöne Beschreiben von Kleinigkeiten, Plätzen oder Wetterverhältnissen. Und gerade die durch das Artwork vermittelte Simplizität, löst die Autorin eben nicht ein.

Ja, es gibt ein happy end, aber keines im herkömmlichen Sinne und Eva Pantleon gelingt es Risse und Makel in den Lebensläufen zu belassen und diese als normal zu akzeptieren. Genau deshalb darf man „Das Leben irgendwo dazwischen“ als philosophischen Anstoß verstehen und kann sich darüber mit eigenen Gedanken und Erlebnissen auseinandersetzen. Die wichtigste Erkenntnis ist wohl, dass es nie zu spät ist. Trotzdem sollte man die Zeit im Blick behalten. Das zu vermitteln und dabei noch lustig und leicht zu schreiben, ist der Autorin gelungen. Schönes Erstwerk!

Seiten: 464
Verlag: Rowohlt
ISBN-10: 3499003902
ISBN-13: 978-3499003905
VÖ: 18.05.2021

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