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Kontrolle – Interview mit Daniel und Carsten zum Album „Egal“

KONTROLLE aus Solingen veröffentlichen über Holy Goat Records ihre erstes Album namens „Egal“. So weit, so unspektakulär auf den ersten Blick, denn Solingen ist mitnichten Rockcity. Wenn eine Band sich aber traut im Refrain voller Inbrunst einem nicht bekannten „Günther“ zu huldigen oder bei ihren Schimpfeliedern das Thema „Baumarkt „als Dreh- und Angelpunkt nutzt, dann ist das schon mal grundsätzlich bemerkenswert. Wenn die Band ihre ironischen, zynischen und lustigen Texte dann auch noch mit einem aktuell einzigartigen Mix aus Punk und Dark Wave untermalt, sich für Zitate von SILKE BISCHOFF genauso wenig zu schade ist, wie für einen kleinen Gruß Richtung BEATLES, dann ist das ein Interview wert.

Gitarrist und Synthieverantwortlicher Carsten und Sänger und Bassist Daniel waren Anfang März zu einem Skype-Interview bereit und während der Eine noch dampfen war, unterhielt ich mich mit dem Anderen schon über den spektakulären Hintergrund – eine weiße Wand, geschmückt mit schwarz eingerahmten Albumcovern von IRON MAIDEN, LED ZEPPELIN, THE CURE, PINK FLOYD, KATE BUSH, DEATH und anderen legendären Bands.

Daniel und Carsten von KONTROLLE.

Carsten, ist das nicht stressig, wenn Du neben der Gitarre auch die Synths machen musst?

Carsten: Das ist eigentlich ganz simpel, ich benutze einen Sample-Player, den MPX16 von Akai, man kann da alles per Touchpad abrufen. Ich spiele ja kein Keyboard, ich drücke pro Ton einen Pad und habe mir da schon die Melodien hintereinander draufgelegt.

Wir hatten es bei unserer Demo schon beim Song „Stadt“ verwendet. Aber damals haben wir das eigentlich nur gemacht, weil wir das Elektroschlagzeug auch live einsetzen wollten. Mit den Pads hat man ja viele Möglichkeiten. Dann hat das aber so gut geklappt, dass wir das beibehalten wollen. Natürlich muss man immer darauf achten, was umsetzbar ist. Also gleichzeitig Gitarre und Synths geht natürlich nicht, so gut bin ich dann doch nicht (lacht). Aber es hat das alles etwas aufgelockert und gibt uns als Band mehr Möglichkeiten im Songwriting.

Eure Band heißt KONTROLLE. Fühlt Ihr Euch kontrolliert oder habt Ihr gerne die Kontrolle?

Daniel: Es ist ja schwierig heutzutage noch eingängige Einwortnamen auf Deutsch zu finden, die noch nicht von anderen Bands verwendet werden. Und wir waren sehr erstaunt, dass außer einer Proberaumband, die wohl nur zwei Monate aktiv war, keine ernsthaften Bands den Namen KONTROLLE bisher verwendet haben. Und ja, warum haben wir dann den genommen? (lacht) Da gibt es verschiedene Erklärungsansätze, „Controll“ von JOY DIVISON oder einen sehr geilen Song von ISOLIERBAND, der „Kontrolle“ heißt. Und wenn man überlegt, dass man in den Achtzigern noch gegen die Volkszählung auf die Straße gegangen ist, dann hat sich im Bereich Kontrolle schon einiges getan mittlerweile (lacht).

Carsten: Bandnamen gemeinschaftlich zu finden, ist schon immer ein schwieriges Ding. Wir waren kurz vor der Entscheidung zusammen im Privatclub in Köln, um ein Konzert von PRETTY HURTS zu sehen. Und da war noch eine andere Band, die einen Song gespielt hat, bei dem immer lautstark ‚Kontrolle‘ gebrüllt wurde. Den Song haben wir immer wieder während den Proben gehört und mitgesummt und irgendwann war es das dann eben. Aber es gibt jetzt keinen tieferen Sinn oder so.

Daniel: (lacht) Wer weiß?

Man kann es zumindest vielseitig auslegen. Lasst mal über eure erste Single „Baumarkt“ reden. Lustigerweise war ich vor einigen Wochen in einem und 80% eurer Lyrics wurden dort bestätigt. Ist Baumarkt der Höhepunkt der Spießigkeit, warum habt Ihr dem Thema einen Song gewidmet?

Daniel: Höhepunkt der Spießigkeit würde ich nicht sagen. Ich tue mir sehr schwer damit, meine Texte zu erklären. Es gab einen pragmatischen Anlass, da wir beim Touren immer keine Merchkisten dabei hatten und dann immer noch zu einem Baumarkt fahren mussten. Also dachte ich, dass man da ein Lied darüber schreiben kann. Es gibt viel zu entdecken (lacht) und dort tatsächlich einiges zu sehen. Ich schreibe die Texte in erster Linie, weil ich Instrumentalmusik scheiße finde und will da jetzt auch keine zu große Nummer daraus machen (lacht). Ich habe nie im Baumarkt gearbeitet, war aber schon oft in einem und ziehe auch gerade um. Mein Erfahrungsschatz zu dem Thema ist so groß, dass ich mich auch autorisiert fühle, darüber Texte zu schreiben (lacht). Da rennen ganz interessante Gestalten rum.

Grundsätzlich rennen ja überall die gleichen Gestalten rum. Aber es gibt Orte, da gehört der Baumarkt dazu, da kann man die besonders gut beobachten. Ihr habt auch einen Song namens „Sitzen in der Bahn“. Öffentliche Verkehrsmittel sind auch ein Ort, an dem viel über Leute und Zwischenmenschliches lernen kann.

Daniel: Oh ja, die Absurdität des Alltags eben. Alltagssituationen überzeichnen, da findet sich dann jeder wieder.

So wie Helge Schneider das macht.

Daniel: Helge Schneider finde ich auch gut, ja. Wir wurden wegen dem „Baumarkt“-Song oft auf BLIXA BARGELD angesprochen, der hat vor sicher schon 10 Jahren eine Hornbach-Werbespot-Reihe gemacht. Da hat er deren Werbekatalog wie Gedichte intoniert und vorgelesen. In die Kerbe haut es auch etwas.

Die Songtexte stehen im direkten Gegensatz zu der Art, wie Ihr Musik macht. Punk sagen einige, andere wieder Darkwave und in „360 Grad“ habt Ihr sogar ein Zitat von SILKE BISCHOFF eingebracht. Könntet Ihr Euch vorstellen nur entweder-oder zu machen?

Daniel: So ganz ohne Augenzwinkern meinste? Ne, würde uns echt schwerfallen. Die Mischung macht es schon.

Carsten: Wobei das so ja nicht geplant hat und sich das in einem Prozess entwickelt hat. Am Anfang war das ein Projekt und wir hatten das versucht etwas moderner zu machen.

Daniel: Es war sogar poppiger gedacht, noch waviger. Aber unsere Punkrock-Hardcore-Wurzeln, die kriegste aus uns nicht raus (lacht). Aber gerade das ist ja auch der Grund, warum das ganz gut funktioniert, weil die Kombination noch nicht so oft da war.

Mir würde auf Anhieb auch gar keine Band einfallen, die sowas macht.

Daniel: Die genau so was macht wie wir? Da wüsste ich jetzt auch keine. Dunkler Punkrock schon, also EA80, FLIEHENDE STÜRME die ganze Abteilung, aber dann eben immer mit dunklen Texten und musikalisch anders, wir haben ja bisschen mehr Arschtritt dabei (lacht). Wave mit Augenzwinkern und Selbstironie finde ich eine ganz spannende Mischung.

Hört Ihr denn dann auch privat solche Musik wie bspw. THE CURE?

Daniel: Ja, wir sind ja schon so alt, da kann ich mich sogar noch daran erinnern, als CURE und DEPECHE MODE so richtig Charts und Mainstream waren. Und damals fand ich die Leute, die das gehört haben, eher komisch, da war ich aber selbst noch klein. Das waren aber auch nicht die wirklich aktiven Waver. Eigentlich habe ich diese Musik erst später schätzen gelernt und komme schon eher vom Punkrock und Hardcore.

Carsten: War bei mir ähnlich, ich bin den Neunziger viel in der Hardcore-Metal-Szene unterwegs gewesen und meine Freundin hatte eher Wave gehört. Und anfangs haben wir uns musikalisch eher gerieben. Und wenn ich dann jetzt manchmal hier sitze und einen Song mit Wave schreibe, während sie in einem anderen Zimmer THE DILLINGER ESCAPE PLAN hört, dann frage ich mich auch, was da schiefgelaufen ist (lacht). An ihrer Musik bin ich über die Jahre gewachsen, sie hört viel Undergroundkram.

Daniel: Es passiert gerade auch unheimlich viel in der Richtung, das ist gar nicht immer der alte Kram.

Carsten: Und vieles kommt ja auch wieder.

Daniel: Die Kunst ist eigentlich, immer einen halben Meter vor der Kitschgrenze stehenzubleiben und das schaffen eben leider nicht alle (lacht). Ist natürlich Geschmackssache, da kann man darüber streiten. Aber es gibt auch eine Menge Schrott in dem Bereich, wo die Bands einfach zu weit gehen.

Vor Kurzem habe ich bewusst die ersten drei Alben von THE CURE gehört und erst da fiel mir auf, warum die eigentlich so relevant sind. Nämlich nicht wegen den Charterfolgen, sondern wegen dem wilden Ansatz, den die damals hatten, mit dem sie die Szene echt aufgemischt haben. Fassen wir zusammen: Ihr hört Sachen aus dem Genre, seht Euch aber nicht als Teil der Wave-Szene?

Carsten: Ja, kann man so sagen. SHE PASSED AWAY aus der Türkei haben wir uns mal angeschaut. Man muss auch sagen, dass diese vielen Elektrosachen auch live echt schwer umzusetzen sind. Da haben wir es mit unserer klassischen Punkbesetzung – laut und Schlag in die Fresse – echt einfacher.

Wir haben jetzt schon öfter Euer Augenzwinkern thematisiert. Das zieht sich ja aber nicht komplett durch. Bei „Ich volk mich um“ ist eindeutig klar, was Ihr damit sagen möchtet.

Daniel: Genau, das stimmt.

In letzter Zeit kam es mir öfter unter, dass ich von Leuten gehört habe, dass sie Patriotismus nicht so gut finden, gegen Lokalpatriotismus aber nichts einzuwenden sei. Wie steht ihr dazu, gibt es in Solingen eine Szene, auf die man stolz sein kann?

Daniel: Also ich bin ganz bestimmt nicht stolz darauf, in Solingen zu wohnen. Lokalpatriotismus kann man vielleicht erst als nicht so schlimm erachten, weil er weniger gefährlich zu sein scheint und auch humorvoller ist, als Patriotismus auf Nationen bezogen. Aber natürlich ist das genauso albern. Es gibt hier einige Aktive, die seit vielen Jahren aktiv sind und hier einiges auf die Beine stellen. Da bin ich froh, ein Teil davon zu sein und ja, da bin ich vielleicht auch stolz darauf. Aber ich würde das nicht an der Stadt festmachen, das wäre ich woanders ja genauso. Ich kann auch mit Provinzpatriotismus nicht so viel anfangen.

Im Laufe des Gesprächs habe ich jetzt schon das Gefühl, dass Ihr beide Euch Gedanken macht. Aber Euer Album heißt „Egal“, warum?

Kontrolle – Egal, VÖ 22.03.2019, Holy Goat Records

Carsten: Wir haben uns dagegen entschieden, die Platte nach einem Song zu nennen. Irgendwie ist uns nichts Gutes eingefallen, beziehungsweise sind wir uns nicht einige geworden. Also haben wir in den Texten geschaut und „das ist mir alles egal“ aus „Solitaire“ ist etwas, das uns allen gut gefällt. Also auch keine tiefere Bedeutung.

Daniel: Lustig ist es besonders im Zusammenhang mit KONTROLLE. Kontrolle, egal (lacht).

Geht Ihr aktuell noch relativ planlos an die Band heran oder habt ihr schon gewisse Ziele, die ihr erreichen wollt?

Daniel: Ob wir jetzt ein Marketingkonzept haben oder was? (lacht)

Eher welche Ambitionen Ihr habt. Habt Ihr habt Euch hingesetzt und überlegt, dass Ihr eine Platte macht, um auf Tour zu gehen, Festivals zu spielen und eventuell irgendwann einen Teil von eurem Lebensunterhalts damit davon bestreiten zu können?

Daniel: Bis auf den letzten Teil ja (lacht).

Carsten: Wir haben die Band ja nicht angefangen, um bekanntzuwerden. Wir sind schon länger dabei, was Musik machen angeht und haben auch schon alle in diversen Bands gespielt. Auch schon in den Neunzigern und ich war auch mit Bands auf Tour und haste nicht gesehen. Aber eben immer in diesem D.I.Y.-Kontext. Oder anders gesagt: Immer schön draufzahlen. Als wir KONTROLLE angefangen haben, war das erst eine Idee im besoffenen Kopf, weil wir ähnliche Musik mögen und auch schon seit 1998 zusammen Musik machen.

Auch unser erstes Konzert im Waldmeister in Solingen mit EA80 kam eher zufällig zustande, als ich auf einem Stadtfest von Joachim Hiller gefragt wurde, ob ich eine Band kennen würde, die man da spielen lassen könnte. Soviel zum Thema Lokalpatriotismus (lacht). Auf jeden Fall meinte ich dann leicht angetrunken ‚Ja klar, wir spielen‘. Ich habe ihm einige Proberaumsongs gezeigt, wir waren gebucht und dann kam plötzlich der Zugzwang und die Erkenntnis, dass wir dann noch mehr Songs schreiben müssen. Die Demo mit den ersten vier Songs ist dann bei Bandcamp eingeschlagen wie eine Bombe, es kamen Konzertanfragen und wir haben gemerkt, dass das zu funktionieren scheint. Es war ein Selbstläufer, wir haben das nicht geplant. Das Songwriting klappt hervorragend, wir haben einen ganz anderen Output, als bei allen anderen Bands, bei denen ich bisher gespielt habe.

Daniel: Wir sind gerade noch dabei zu realisieren, dass eine Band ist und kein Projekt.

Carsten: Völlig unkontrolliert (beide lachen).

Daniel: Spannend ist auch, dass wir jetzt eine ganze andere Szene ansprechen. Mit unserer Hardcoreband BLANK haben wir uns eher in einer geschlossenen Szene bewegt, das ist jetzt bei KONTROLLE anders. Schon alleine, dass wir angesprochen werden, ob wir CDs haben (lacht). Das ist uns vorher bei 10 Jahren BLANK nicht passiert.

Dazu habe ich was Lustiges auf Eurer Facebookseite gesehen. Der Eine wollte wissen, ob Ihr Pre-order habt, also ganz was Feines und sehr fortschrittlich. Und der Andere wollte dann wissen, ob Ihr Tapes habt, also ganz altmodisch. Wie konsumiert Ihr selbst Musik?

Daniel: Ich kaufe schon Vinyl, um Bands zu unterstützen, die ich live gesehen habe. CDs kaufe ich gar nicht mehr, kann mich an die letzte gar nicht erinnern. Aber für den Alltagsgebrauch, da höre ich natürlich mp3. Digital ist super, um Dinge zu entdecken. CD ist so ein Format, das braucht man eigentlich nicht. Entweder hat man es in digital Form, die eh praktischer ist, oder man will guten Klang, dann will man das auch auf Platte haben.

Wie Du ja schon gesagt hast, gibt es sehr viel gute, neue Musik. Wenn ich mir das alles auf Platte kaufen würde, das würde jeden Rahmen sprengen. Wie sieht es aus mit Spotify, nutzt ihr das?

Daniel: Ich nicht.

Carsten: Ich schon und ich benutze das auch sehr viel. Ich muss aber ehrlich sagen, dass ich mir schon lange keine Platte mehr gekauft habe und Platten gar nicht mehr höre. Meisten habe ich die nötige Ruhe nur im Auto. Ich spiele selbst in drei Bands und wenn es blöd läuft, dann habe ich viermal die Woche Probe. Selten höre ich mir daheim bewusst eine Platte an. Dann auch eher, wenn ich etwas live gesehen habe, dass ich mir dann die Platte hole.

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