Kaufmann Frust – Im Blau – Review
Die Farbe Blau hat viele Bedeutungen, auf ihrem neuen Album „Im Blau“ widmen sich KAUFMANN FRUST vorrangig der Blauen Stunde. Das Gefühl, wenn etwas noch nicht ganz oder gerade eben vorbei ist, passt zu dem bittersüßen Düster-Post-Punk, den das Quartett schon seit einem Jahrzehnt kredenzt. KAUFMANN FRUST haben die Weichen allerdings ganz leicht verstellt, den hellen Rahmen größer gezogen und damit ihrem eigenen Sound etwas von der Schwere genommen. Die Hoffnung hat mitnichten gewonnen, sie mischt sich jetzt nur öfter ein und lässt den Sound nicht so schwer ins Wasser plumpsen wie bisher.
Im Rhythmus der Erinnerung
Bei KAUFMANN FRUST wird von jeher paritätisch komponiert, auch auf „Im Blau“ dürfen alle mal ran und am Ende ist schwer auszumachen, was jetzt von wem der vier Musiker kommt. Dass man das kaum hört, spricht für das starke Band, das die Band zusammenhält. Besonders im Sound merkt man das, vieles kommt aus dem Bauch und nichts wirkt kalkuliert.
Wenn die Instrumente den Refrain in „Irre Fahrten“ verlängern oder bei von der Trompete in den Himmel geleitete „Nachtflug“ die Komposition opulent aufladen, dann ist das ganz kurz mehr als schnöde Musik. KAUFMANN FRUST kitzeln dann an etwas in unserem Inneren, das eigentlich bei normalem Musikkonsum nicht angesprochen wird. Häufig scheren die Instrumente aus, führen den Song kurz an einen ganz anderen, einen unbestimmten und so nicht vorgeschriebenen Punkt.
KAUFMANN FRUST agieren auf „Im Blau“ nicht jenseits jeder Norm, betreten die Szene aber häufig auf ihre ganz eigene Art und Weise. Man weiß oft gar nicht, so sie uns jetzt hinlenken möchten. Was wahrscheinlich an der schönen Tatsache liegt, dass sie sich selbst größtenteils lenken lassen von dem, was über Herz und Hirn in die Finger und dann in die Instrumente läuft. Viele Momente sind eindeutig der Klassik oder dem Theater entliehen und von KAUFMANN FRUST in ihren Sound transferiert. Das verzerrte „Du antwortest dir selbst“ wirkt dann beinahe wie ein Störgeräusch, ist aber für die Atmosphäre von „Im Blau“ enorm zuträglich.
Wehe, wenn es Zoom macht
Mit dem langsam anschwellenden „Das fragile System“ sind KAUFMANN FRUST wahrscheinlich so nah an dem, was sie ursprünglich sein wollten, wie niemals vorher. Ein enttäuschtes Schulterzucken in Form eines Songs, geschrieben von jemandem, der etwas verstanden hat, was er eigentlich so im Detail gar nicht wissen wollte. KAUFMANN FRUST legen mit „Im Blau“ ein Album vor, das sich nicht sofort und vielleicht auch nicht allen erschließen wird. Aber dieser Moment, wenn es dir wie Schuppen von den Augen fällt, welch immense Bedeutung diese oder jene Textzeile gerade hatte, oder wie eng Musik und Text gerade ineinandergreifen, ist unbezahlbar („Variationen“, „Kinder“).
Dauer: 44:58
Label: My Favourite Chords
VÖ: 21.04.2023
Tracklist „Im Blau“ von KAUFMANN FRUST
Pausenraum
Irre Fahrten
Im Blau
Die Gleichen
Du antwortest dir selbst
Nachtflug
Ozean
Das fragile System
Variationen
Blaue Lippen
Kinder
…..
Wannenrain
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