Interview mit Lo Seal zum Album “Teal”
Ein Post-Punkalbum aus Deutschland, mit einer Ente auf dem Cover? Die Zeichen stand nicht gerade auf Jubel, als krachfink.de das – immerhin liebevoll handgemachte -Tape von LO SEAL erreichte. Doch mit dem Vertrieb über Mörtel Sounds waren auch jede Menge Vorschusslorbeeren verbunden. Und “Teal” hatte mich schon vor dem ersten kompletten Durchlauf im Sack, nicht zuletzt wegen meiner Liebe für britischen, repetitiven Punk. Überraschenderweise wird der schmackhafte Post-Noise-Punk nur von einem Duo erstellt. Grund genug, um Claus und Lennart einige Fragen zu ihrem ersten Album zu stellen.
Die bescheinigte “britische Note”, ist das für euch per se ein Kompliment?
Lennart: Es ist nicht unser Anspruch so zu klingen, aber ja, viele Bands, die uns gefallen, kommen von da.
Claus: Ja, es gibt auf jeden Fall diesen Einfluss zuletzt von Bands wie TV PRIEST, YARD ACT oder EGYPTIAN BLUE. Und eine Textreferenz zu GANG OF FOUR ist auch auf dem Album, also leugnen lässt sich das nicht. Vielleicht ist das beim Album auch noch etwas mehr in diese Richtung gegangen als vorher. Ob die “britische Note” jetzt ein Kompliment ist oder nur versteckte Kritik, dass wir den Sound kopieren, mh, keine Ahnung. Es ist auf jeden Fall eine Kategorie, mit der ich leben kann. Die Songs sind ja so persönlich ein Teil von uns, dass wir das erstmal nicht so hören.
Eure Musik empfinde ich als extrem fühlbar, vor allem zwischen den Zeilen kommt sehr viel bei mir an. Was macht für euch einen guten Song aus, was kickt euch?
Claus: Sobald ich etwas höre, dass ich nicht eindeutig zuordnen kann oder mich etwas irritiert, bleibe ich dran. Das kann alles sein. Das ist beim Songschreiben ganz ähnlich. Sobald ich nicht mehr genau weiß, was ich da tue, mache ich erstmal weiter. Meistens ist das auch so stimmungsmäßig für mich nicht klar einzuordnen und dann gehe ich dem nach.
Ich finde, dass “Teal” ein Album ist, das man ohne Worte so live durchspielen könnte. Gibt es Zusammenhänge zwischen den Songs und folgend diese einer überlegten Anordnung?
Claus: Witzig, dass du das sagst, ich würde “The Slide” eigentlich nie als Opener spielen
Lennart: Aber wenn man so darüber nachdenkt, wäre das ein gutes Intro für ein Konzert. Wir hatten uns das schon so überlegt, dass die erste Hälfte sich erstmal steigert und dann die zweite Hälfte einläutet.
Claus: Wir haben vorher ja in der Länge nur live gespielt, das hat sicher auch unsere Überlegungen zum Aufbau des Albums beeinflusst. Und live sind wir beide keine großen Entertainer am Mikrofon, deswegen spielen wir gerne viele Songs hintereinander weg ohne große Ansagen. Vielleicht kommt das auch auf dem Album durch. Es gibt aber kein richtiges Konzept oder so. Es war aber bei manchen Songs früh klar, wo sie auf dem Album sein sollen, zum Beispiel, dass “Tarrou” der letzte Song sein sollte und entsprechend haben wir ihn dann auch noch geschrieben.
Was ist das für ein Sample in “Platypus” und was sind generell die größten Inspirationen für eure Songs?
Lennart: Die Samples haben wir im Studio noch herausgesucht, das war Björns Idee, dem Song noch eine Ebene hinzuzufügen.
Claus: Das erste Sample ist der Schrei eines Schnabeltiers, der taucht dann am Ende nochmal stark verändert auf. Das zweite Sample ist aus einer alten Nachrichtensendung, die über das erste bekannte Schnabeltier in Gefangenschaft berichtet. Wir haben viel dazugelernt, und das obwohl wir für den Text schon vorher natürlich viel zu Schnabeltieren recherchiert hatten! Inspiration für Songs kommen tatsächlich aus unterschiedlichen Richtungen.
Mal bin ich im Internet falsch abgebogen, mal habe ich was in einem Buch gelesen, einen Ausdruck oder ein Satz, der mir hängenbleibt oder mal reden wir im Proberaum über etwas, das uns beschäftigt. Oft steht dann bei mir die Frage “Wie kann das so sein?” also zum Beispiel, “Wie kann dieser Mensch so sein, wie er ist?” oder “Warum bin ich so?” oder noch schlimmer “Warum bin ich manchmal wie dieser Menschen!?” und dann ist der Text so eine Suche nach einer Antwort. Dabei verknüpfe ich dann den ganzen Kram, der bis dahin zusammenhangslos in meinem Kopf herumwabert – oder mittlerweile auch schon aufgeschrieben wird – mit noch mehr Krimskrams.
Wie schreibt ihr eure Songs?
Claus: Das ist ganz unterschiedlich.
Lennart: Entweder hat einer von uns eine kleine Idee oder wir rumpeln halt so herum, bis etwas hängenbleibt. Das fertige Lied entsteht dann eigentlich immer zu zweit im Proberaum. Meistens hat Claus dann noch eine Idee für ein abseitiges Thema für den Text und so fügt sich das dann zusammen.
Claus: Genau. Auch Texteschreiben haben wir angefangen aufzuteilen, aber dafür sitzen wir jetzt nicht gemeinsam im Proberaum anders als bei der Musik. Das funktioniert auch einfach nicht, wenn ich zum Beispiel sage, “ich habe da eine coole Idee auf Gitarre und gedacht du spielst das”. Das klingt dann immer ganz furchtbar und ich bin jedes Mal froh, dass wir nochmal gemeinsam herumwursteln und immer auf den anderen hören, dann etwas anpassen und sich das Thema weiterentwickelt in dieser Feedbackschleife.
Auch so Songabläufe entstehen erst im Proberaum und fast nie zu Hause. Dann nehmen wir uns etwas auf als Gedächtnisstütze und beim Durchhören fällt meistens dann wieder etwas auf, was wir anders machen wollen. Manche Songs haben sich dadurch über die Jahre stark verändert. “Stefan” zum Beispiel hat fast nichts mehr mit der ursprünglichen Version zu tun.
Auf welche Bands könnt ihr euch einigen und warum?
Lennart: Bevor es die Band gab, gab es schon eine gemeinsame Playlist, die auch heute noch auf unserem Spotify-Account gepflegt wird. Mittlerweile ist sie über 17 Stunden lang und das meiste gefällt uns beiden sehr gut. Unser erstes gemeinsames Konzert in Köln als Zuhörer waren METZ. Das war 2015.
Claus: Davor waren wir noch gemeinsam auf einem Festival und haben BATTLES gesehen. Das war auf jeden Fall auch sehr prägend. Es gibt erschreckend wenig an aktueller Musik, was wir nicht beide gut finden, aber musikalisch wurden wir schon etwas unterschiedlich sozialisiert.
Lennart: Sowohl BATTLES als auch METZ sind Bands, die für sich eine ganz besondere Energie haben. METZ haben einen unfassbaren Druck und BATTLES sind so konstant chaotisch, das ist schon faszinierend.
“Heimskr” kann man schon beinahe als Hit bestimmen, er wirkt etwas weicher und zahmer als der Rest, auch wenn er sich komplett wandelt. Habt ihr eine gewisse Zielgruppe im Kopf, die ihr anstrebt oder geht es in erster Linie um euren Spaß?
Lennart: 100% Fun!
Claus: Also, wir möchten die Songs schon vor netten Leuten spielen, aber eine genaue Zielgruppe haben wir da nicht. Dass “heimskr” so ein Ohrwurm geworden ist, hatten wir auch nicht geplant, die ursprüngliche Version war rhythmisch sehr vertrackt und das Lied hat sich dann erst in diese Richtung entwickelt. Luis aus dem Bear Cave Studio hat den Song dann auch in diese Richtung gepusht, das war einer seiner Favoriten.
Ihr habt im Bear Cave Studio aufgenommen, vom PETER MUFFIN TRIO weiß ich, dass man dort die Möglichkeit hat, vieles auszuprobieren. Wie waren die Aufnahmen, wie viel wurde dann noch dort im Studio entschieden und zugefügt?
Lennart: Die Instrumentalaufnahmen sind größtenteils im Proberaum entstanden, das war so unser Coronaprojekt, aus dem dann das Album wurde. Wir hatten aber nicht geplant, damit ins Studio zu gehen, das hat sich erst später ergeben und wir sind unheimlich froh, dass wir das gemacht haben. Luis hat aus unseren bescheidenen Aufnahmen wirklich nochmal alles rausgeholt. Im Studio haben wir dann den Gesang und die Overdubs gemacht.
Claus: Da haben Björn und Luis auch sehr viel beigesteuert, das war nochmal ein sehr kreativer Prozess. Wir wussten manchmal gar nicht, was gerade passiert und auf einmal hatte Lennart einen Bass in der Hand oder saß am Klavier, obwohl er beides noch nie gemacht hat. Das wirkt dann für einen Moment sehr chaotisch und für uns sehr erfrischend, nachdem wir die Songs schon 100 Mal gehört hatten. Abgesehen davon haben die beiden auch selbst Musik und Gesang beigesteuert, das war auch auf der Ebene gut, die Songs nochmal aus der Hand zu geben.
Lennart: Und wenn Björn wie ein verschrobener Apotheker in seinem Effektschrank verschwindet und dann einzelne Spuren durch irgendwelche Pedale schickt, merkt man erst, dass dieser eine dezent untergerührte Sound dem Lied noch gefehlt hat. Da hat er einfach ein tolles Gespür für. Das macht großen Spaß.
Wo kann man eure Musik kaufen und wo kann man euch mal live sehen?
Claus: Unser Album gibt es bei Mörtel Sounds auf Bandcamp als Tape zu kaufen. Wenn man Glück hat, kann man Jelle von Mörtel auch direkt ansprechen und er zaubert dann ein Tape aus seiner Brusttasche, das haben wir auch schon beobachten können, der braucht demnächst so einen Bauchladen. Außerdem ist das Tape auch in ein paar Läden zu finden, da habe ich aber gerade keine Übersicht. Sonst sind wir auch auf allen anderen Plattformen online zu finden.
Lennart: Live sind wir das nächste Mal am 14.10.2022 in Lippstadt und im Dezember wieder in Köln, sehen aber zu, dass wir jetzt nochmal wieder etwas mehr spielen können.
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