Pissed Jeans – Half Divorced
PISSED JEANS schlagen mit ihrem Hardcore-Grunge hart zu, fuzzen und pogo-schunkeln uns mit ihrer neuen Platte „Half Divorced“ grinsend Richtung Abgrund. Die Energie des Quartetts ist beeindruckend, mit knurrendem Bass im steten Anschlag, ziehen sie für jedes Lied einen imaginären Pit hoch, in dem man sich fein rumschubsen und Dampf ablassen kann. PISSED JEANS richten das Schlaglicht auf die hässlichen Ecken im sowieso schon dunklen Keller. Toxisch ist die Musik der Amerikaner aber nicht, denn sie machen in jeder Sekunde klar, dass der Scheiß halt einfach weitergeht, ob du willst oder nicht („Moving On“). Also habt gefälligst Spaß oder schaut mal kurz woanders hin.
Ecken und Kanten zum Umarmen
„Half Divorced“ von PISSED JEANS lebt zwar von Ecken und Kanten und einer gewissen Unangepasstheit, läuft aber wie geschmiert durch die Anlage. Die Band neigt wirklich nicht zu unnötigen Abzweigungen, weiß aber, wann ein freigestellter Bass wirkt und wie man einen klebrigen Refrain in die Menge brüllt. Provokante Thesen, wie das mit dissonanten Tönen gespickte „Kill All The Wrong People“ oder nihilistische Tendenzen wie im PINK LINCOLNS-Cover „Monsters“ ,nimmt man der Band sofort ab, nichts wirkt aufgesetzt. Es geht um die Einordnung und die ist bei PISSED JEANS zwar spitzt formuliert, aber eben auch smart durchdacht: „If violence is now their form of play / Let’s aim ‚em towards those who made ‚em that way.“
Gegen die Wand
Vieles transportiert sich natürlich auch über die Musik. In „Helicopter Parents“ ziehen Gitarre und Bass imaginäre Wände hoch, scheinen den Freiraum immer enger zu ziehen, während Korvette im Stakkato seinen Teil dazugibt. PISSED JEANS schließen gleich mit dem wilden „Cling To A Poisoned Dream“ an und skizzieren uns in eineinhalb Minuten, wie dumm wir falschen Versprechungen hinterherjagen: „I’ll love this life as soon as I can afford it.“
PISSED JEANS sind keine Band, die alle zwei Jahre brav eine Platte veröffentlicht und sich damit unter Druck setzt, auch wenn sie eigentlich nichts zu sagen hätte. Das ist gut so. Denn genau deshalb wirkt auch „Half Divorced“ eher wie eine echte Ansage von ganz unten, die bekanntlich authentischer wirkt („Junk Time“) und nicht wie das Abhaken von gerade populären Themen, weil man eben wieder mal was schicken muss.
Curb your enthusiasm!
Die Lässigkeit, mit der Matt Korvette im fröhlichen Überall-isses-scheiße-Song „Everywhere Is Bad“ seinen geschärften Pessismus vorträgt und ihn genau deshalb von jeglicher destruktiver Energie befreit, ist einfach herrlich. PISSED JEANS sind in jeder Sekunde eigen, trotzdem stehen alle Zeichen auf NIRVANA und wahrscheinlich hätten Kurt, Chris und Dave heute auch so skandiert („Alive With Hate“). Der Weg vom jugendlichen Enthusiasmus hin zur knöchernen Resignation ist ihnen gut gelungen. Die Kerls wissen, wovon sie lärmen. In den letzten zwanzig Jahren hat sich einiges getan, bei PISSED JEANS, die persönlichen Umstände haben sich geändert, in vielen Bereichen ist Ruhe eingekehrt. Musikalisch kanalisiert sich einiges anders, aber den Grundtenor behalten sie bei.
„Half Divorced“ von PISSED JEANS verkauft uns den Kreislauf des Abfucks so charmant, dass man einfach zugreifen und laut drehen muss. Gewalt erzeugt Gegengewalt, schön erklärt.
Dauer: 30:15
Label: SubPop
VÖ: 01.03.2024
Tracklist „Half Divorced“ von PISSED JEANS
Kill All The Wrong People
Anti-Sapio
Helicopter Parent
Cling To A Poisoned Dream
Sixty-Two Thousand Dollars In Debt
Everywhere Is Bad
Junktime
Alive With Hate
Seatbelt Alarm Silencer
(Stolen) Catalytic Converter
Monsters
Moving On
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