Idles – Tangk – Review
Wahrscheinlich haben einige Fans der ersten Stunde gebangt, welche Richtung IDLES mit ihrem fünften Album “Tangk” nun einschlagen werden. Die Parameter waren widersprüchlich: Der gerade als Produzent und heimliches Mastermind etablierte Gitarrist Marc Bowen, Hand in Hand mit Kenny Beats, Nigel Godrich? Das klang spannend, die ersten Singles ließen dann eher darauf schließen, dass die Band mit aller Gewalt und wenig Ideen an ihrer ursprünglichen Idee vom wütenden, rhythmisch zuckenden Post-Punk festhalten würde.
Eine Entwicklung, die absehbar war
Jetzt ist “Tangk” da und klingt ganz anders, als erwartet. Hinterher ist man bekanntlich immer schlauer. Und so kommt man sich zurecht etwas doof vor: Hatte ernsthaft jemand daran gezweifelt, dass eine Band die so geschlossen und selbstbewusst auftritt und gerade in Künstlerkreisen einen so guten Ruf genießt, ohne mit der Wimper zu zucken, alle vermeintlichen musikalischen Konzepte über den Haufen werfen würde, um etwas Neues zu machen?
Idles erreichen nächste Entwicklungsstufe
Ob “Tangk” von IDLES jetzt allen bisherigen Anhängern der Band gefallen wird, steht auf einem anderen Blatt. Dass die Band sich erfolgreich gehäutet und eine neue Entwicklungsstufe eingeleitet hat, steht außer Frage. Aber am besten startet man mit dem Opener “Idea 01”, der deutlich nach RADIOHEAD klingt, was natürlich Nigel Godrich zuzuschreiben ist. IDLES haben umstrukturiert, verstören weniger mit Worten und stattdessen mit Klängen, mit sprudelndem Klavier und Soundfetzen, die schwer zuzuordnen sind. Es geht weiterhin um die Gefühlswelt von Sänger Joe Talbot und seinem Transfer auf diese verrückte Welt.
Er wird allerdings weniger konkret, verwendet Zwischentöne, singt sanfter und melodisch (“Monolith”). Seine Vorlieben für Bluessänger wie SCREAMIN’ JAY HAWKINS kommt auf “Tangk” noch mehr durch Songs wie “Roy” und “A Gospel” zum Tragen, ebenso wie die langjährige Erfahrung als Hip-Hop-DJ und den dramatisch anschwellenden Auf- und Abbau von Beatschichten.
Es geht doch immer nur um Liebe
Heimlicher und leider häufig übersehener Veredler ist wie immer der Drummer Jon Beavis. Der integriert sich mühelos mit seinem Spiel in den veränderten Sound, wirbelt Spitzen und baut so enormen Druck auf, dass der Kessel immer wie kurz vorm Platzen wirkt. Es geht eigentlich ausschließlich um Liebe auf “Tangk” von IDLES, um Lieben in allen erdenklichen Facetten, im Kleinen und Großen. Die abgenagte Sound-Basis rüttelt weiterhin an Kapitalismus, jeglichem Klassizismus und äußert sich unmissverständlich mit Sätzen wie “fuck the king” oder einer Klatsche und dem Wunsch nach Freudefreude, dem Gegenteil der giftigen und bedauerlicherweise weit verbreiteten Schadenfreude.
Engtanz löst Pogo ab
Das ist weiterhin tanzbar und (er)lösend für die Frustrierten und Enttäuschten gedacht, spricht aber bewusst andere Emotionen an (“Hail & Oates”, “Dancer”). Am besten nachvollziehbar ist die Transformation von IDLES wahrscheinlich mit “Jungle”, einem Song der alle bisherigen Trademarks der Band enthält. Ganz ohne Hast tragen uns die Musiker eine veränderte Version von sich selbst vor, sind weniger offensiv, überlegter und genau deshalb durchschlagender.
“Tangk” ist der einzig logische Schritt, den IDLES nach “Crawler” gehen konnten, ja sogar mussten. Die Band löst musikalisch das ein, was sie uns versprochen hat. Sie gehen nach vorne, sie formieren sich neu, sie probieren sich ohne Grenzen aus und sie überraschen uns. Wer jetzt stinkig vor der Anlage sitzt, hat IDLES wahrscheinlich nie verstanden.
Dauer: 40:10
Label: 16.02.2024
VÖ: Partisan Records
Tracklist “Tangk” von IDLES
Idea 01
Gift Horse
POP POP POP
Roy
A Gospel
Dancer
Grace
Hall & Oates
Jungle
Gratitude
Monolith
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