Sleaford Mods – Spare Ribs – Review
Dass eine Band wie die beiden charmanten Griesgrame von SLEAFORD MODS angesichts der Pandemie und der durch den Brexit schon lange stark angespitzten Lage noch bissiger klingen, war zu erwarten. Nicht nur deshalb ist ihr mittlerweile elften Album „Spare Ribs“ zum besten ihrer bisherigen Karriere geworden. Blitzschnell in der Verarbeitung von aktuellen Themen waren Jason Williamson und Andrew Robert Lindsay Fearn schon immer. Doch so zynisch und pointiert haben sie ihren Electro-Post-Punk noch nie abgeschossen.
Wer mitspielen will, muss scheiße sein
Das und die drei hochwertigen Feature (BILLY NOMATES, AMYL AND THE SNIFFERS und die politische Aktivistin Dr. Lisa McKenzie) lassen „Spare Ribs“ zur starken Faust werden. Eine Faust, die mitten ins Gesicht aller schnellt, die sich schuldig gemacht haben. Aktiv oder durch Ignorieren. Die Frage, warum man sich zurückhalten soll, wenn die Oberen gewissen-, und hemmungslos alles und jeden grinsend in die Scheiße reiten, stellen sich SLEAFORD MODS schon lange nicht mehr. Oder wie sie selbst es ganz eloquent und ansteckend melodisch in „Elocution“ zusammenfassen: „I wish I had the time, to be a wanker just like you.“
Jason Williamson skandiert in diesem Fall das Sterben von unabhängigen Clubs und Begegnungsmöglichkeiten genauso, wie die Tragik, dass viele unbewusst ihren Selbstmord mitverschulden, indem sie alles ins Netz verlagern. Auch der Titelsong bezieht sich auf das lemminghafte Treibenlassen. Die Tatsache, dass wir mittlerweile fast alles schlucken und jegliche Verantwortung schulterzuckend aus der Hand geben. Wird schon der nächste Elon Musk kommen, der sich als Übermensch über uns alle erhebt und fast im Alleingang mit dicker Brieftasche die Welt rettet.
Das Selbstmordkommando geht online
Auch die Beats auf „Spare Ribs“ sind sicherlich so zwingend wie nie. Alleine der Opener „The New Brick“ mit der torkelnden Verbeugung vor Flat Eric ist grandios. Abgenagt wie eine Ladung leckere Spare Ribs, lassen SLEAFORD MODS wirklich nur das absolut notwendige Beatgerüst stehen. Im Falle des fett pumpenden Überhits „Nudge it (feat. Amy von AMYL AND THE SNIFFERS) zeckt sich der sarkastisch, melodische Refrain so schnell ins Ohrwurmzentrum, dass man beinahe vergisst, dass Sätze wie „You’re just a mime that’s spraying and praying on walls, and the after-effects are making my skin crawl“ so verdammt wahr sind, dass man laut schreien möchte. Amy, die eben noch bei VIAGRA BOYS dem Country frönte, reiht sich so selbstverständlich britisch-rotzig ein, dass man sich langsam fragt, was die Australierin bitte nicht singen kann?!
Von sterbendem Löwenzahn und Hummeln
Gleiches gilt für BILLY NOMATES, die auf ihrem Debüt im letzten Jahr schon bewiesen hat, dass sie eine unfassbare musikalische Bandbreite hat. Nachdem Jason Williamson dort schon Spuren hinterließ, darf sie sich jetzt mit „Mork ’n‘ Mindy“ revanchieren. Ein Song – der auch auf die Sitcom mit Robin Williams anspielt, in der die Welt ganz selbstverständlich voll von „Happy Days“ war – über die Institutionalisierung von Beziehungen und den damit verbundenen Druck in finanzieller und gesellschaftlicher Hinsicht. Auf den ersten Blick scheinen SLEAFORD MODS also auch auf „Spare Ribs“ nur zu schimpfen. Aber wenn spätestens, wenn SLEAFORD MODS uns mit ihrem Bassbrummen in „Don’t Rate You“ umschmeicheln ist klar, dass die beiden niemals ein Ticket für die Plastikwelt lösen und ansteigende Radikalität in ihrer Vorgehensweise inkludiert ist.
Dauer: 42:49
Label: Rough Trade
VÖ: 15.01.2021
Tracklist „Spare Ribs“ von SLEAFORD MODS
The New Brick
Shortcummings
Nudge It (Ft. Amyl and the Sniffers & Amy Taylor)
Elocution
Out There
Glimpses
Top Room (Ft. Dr. Lisa McKenzie)
Mork n Mindy (Ft. Billy Nomates (UK))
Spare Ribs
All Day Ticket
Thick Ear
I Don’t Rate You
Fishcakes
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