Jakob Hein – Der Hypnotiseur oder Nie so glücklich wie im Reich der Gedanken – Review
„Der Hypnotiseur oder Nie so glücklich wie im Reich der Gedanken“ von Jakob Hein wirkt erst wie ein harmloser Roman, von einer Zeit, die weit weg ist und einer Gegend, die die meisten von uns nicht kennen. Auch der scheinbar magere Umfang von 200 Seiten deuten nicht unbedingt auf die Nachwirkungen hin, die das Buch dann doch überraschenderweise entfaltet.
Es kommt uns zugute, dass der Autor ausgebildeter Psychiater ist und genau weiß, wie man mit der Psyche von Menschen umzugehen hat. Eigentlich bearbeitet er uns mit seiner Geschichte auf einer ganz anderen Ebene, die uns erst nach und nach klar wird.
Als Deutschland noch offiziell zweigeteilt war
Wir befinden uns im Odertal, an der Seite des etwas wortkargen Micha, der sein Psychologiestudium unfreiwillig vorzeitig beenden musste. Nach dem Tod seiner Oma bewohnt er den heruntergekommenen Bauernhof und baut dort ein sehr ungewöhnliches Geschäftsmodell auf. Er empfängt Gäste, die er durch Hypnose an einen Ort ihrer Wahl versetzt. Das mag harmlos klingen, allerdings befinden wir uns in einer Zeit, in der die Mauer Deutschland noch in zwei Hälften teilten und es den Menschen im Osten somit unmöglich war, diese Orte tatsächlich zu besuchen.
Ich komme da her, du willst da hin
Wir erleben „Der Hypnotiseur oder Nie so glücklich wie im Reich der Gedanken“ von Jakob Hein aus unterschiedlichen Perspektiven. Das macht das Buch noch interessanter, denn dadurch ist es möglich, die verschiedenen Motivationen, Gedanken und Träume zu erfahren. Grundsätzlich ist es nichts Schlimmes, was Micha auf seinem Bauernhof veranstaltet. Allerdings besteht die Gefahr, gegen die Vorschrift zu verstoßen, die untersagt, Reisen in den Westen anzubieten oder zu unterstützen. So schliddert Micha immer haarscharf an der Illegalität vorbei, baut sich sehr bald mit Verbündeten eine schöne anarchische Oase auf dem Bauernhof.
Ein Ende, das nachhallt
Das Ende von „Der Hypnotiseur oder Nie so glücklich wie im Reich der Gedanken“ von Jakob Hein setzt sich intensiv damit auseinander, welchen Stellenwert Freiheit hat. Was kann Freiheit bedeuten, wie kann man sie gestalten und wie paradox erscheint uns manches im Rückblick? Zwangsläufig setzt man sich auch mit Realitäten auseinander, was sich gedanklich gut mit der aktuellen Situation verknüpfen lässt, die uns alle stärker in den digitalen Raum drängt.
Es gelingt dem Autor Jakob Hein, mit wenigen Worten allen Personen in dem Buch sofort eine eindeutige Silhouette zu verschaffen. Er benötigt keinen langen Aufbau, man weiß sofort, wer welche Absichten verfolgt. Meint man zumindest, eventuell ist alles doch ganz anders.
Seiten: 208
Verlag: Kiepenheuer&Witsch
ISBN-10: 3869712546
ISBN-13: 978-3869712543
VÖ: 10.02.2022
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