August August – Liebe in Zeiten des Neoliberalismus – Review
Vieles an dem zweiten Album „Liebe in Zeiten des Neoliberalismus“ des Duos AUGUST AUGUST aus Hamburg ist ganz anders, als man denkt. Meistens besser. Der Bandname ist inspiriert von der Hörspielreihe „Die drei ???“ aus der Folge „Der Fluch des Rubins“, der Albumtitel schielt dann aber eher Richtung Feuilleton.
Die Stimmung des Albums ähnelt der eines Roadtrips durch Schweden oder einer einsamen Wanderung durch die Wälder Finnlands – auf jeden Fall irgendwas mit Selbstfindung und unterschwellig immer Richtung vorne. Mal langsam, manchmal etwas schneller, aber nie hastig. Die Texte sind tiefgründig, verkopft ohne kryptisch zu sein und dabei doch sehr feinfühlig. Die Stimmung vereinend, eigentlich angenehm nahbar und gleichzeitig scheint eine Milchglasscheibe zwischen uns und der Musik zu stehen. Auch das Artwork, definitiv mit Siebzigerjahre-Schlagseite, vermittelt überhaupt nicht die Stimmung, die uns aus dem Album entgegenschlägt und erinnert eher an linksradikales Kindertheater.
Eine Platte voller Gegensätze
AUGUST AUGUST haben also ein Händchen für Gegensätze und Reibung. Wie das Leben selbst. „Kaputt + Kein Hunger“ greift rein theoretisch die Dynamik eines Hardcoresongs auf und ist doch eindeutig pop-rockig und sanft. In weniger als zwei Minuten verwandelt die Band einen Moment in eine Geschichte und macht daraus einen Song, der eine interessante Lücke stehen lässt. Im folgenden, rein instrumentalen, „Gips“ erwartet uns dann eine gegensätzliche, stark isolierte Stimmung, statt Tatendrang herrscht nun schlagartig Melancholie. Herrlich disharmonisch unterlegt, umarmen uns die beiden mit einer etwas streng gezupften Gitarrenmelodie, die nirgendwo ankert und wie aus dem Nichts ganz große Emotionen weckt.
„Dolch“ gelingt das gleiche Kunststück, dieses Mal mit dahin getupften Klaviertönen und in nur 40 Sekunden. Irritationen, die die Dynamik des Album eigentlich komplett zerhauen müssten, aber eher angenehm auffallen und den ernsthaften Ansatz unterstreichen. AUGUST AUGUST machen sicherlich keinen Gefälligkeitspop und setzen nicht auf den Wohlfühlfaktor. So richtig brechen sie aber nicht aus, stampfen nur sachte auf und legen die Finger nicht wirklich in die Wunde.
Ein intimes Album
AUGUST AUGUST können mit Sicherheit auch live überzeugen. Aber in erster Linie ist „Liebe in Zeiten des Neoliberalismus“ wohl eher eine 1:1 Album, das besonders gut zündet, wenn die Themen gerade für dich persönlich aktuell sind. Die Chance, in dieser Vielfalt etwas zu finden, ist groß. Liebe, falsche Freundschaften, Verschlossenheit, Überforderung und pures Glück – sucht euch einfach etwas aus. Kathrins Texte sind außergewöhnlich, ihre Vergleiche erfrischend neu, ihre Sprache klar, aber auch im richtigen Moment blumig.
Ganz gleich welches Tempo AUGUST AUGUST anschlagen, „Liebe in Zeiten des Neoliberalismus“ scheint zu schweben, wirkt wie leicht in Milchschaum eingeschlagen. Das ist angenehm und lässt die Platte herausstechen, macht deren Genuss aber auch stark stimmungsabhängig. Irgendwie bleibt aber der Nachgeschmack, dass die beiden musikalisch und textlich eigentlich locker dahin gehen könnten, wo es wirklich weh tut, uns erschüttert und auch nachdrücklich bewegt.
Dauer: 39:51
Label: popup records
VÖ: 25.02.2022
Tracklist „Liebe in Zeiten des Neoliberalismus“ von AUGUST AUGUST
Wahnsinn
Phase
Deine Freunde
Kaputt + Kein Hunger
Gips
Bild von uns beiden
Dolch
Ich wundere mich nur (mon amour)
Man kann sich nicht lieben wenn man kein Geld hat
Die Katze weiß wann sie verloren hat
Coda
Ohne Titel (Wolken)
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