Meijar-Cover

Meijar – st – Review

Die Post-Hardcoreband MEIJAR aus Dresden legt mit „s/t“ ihr erstes Album vor. Und so bisschen fühlt man sich, wen man wie ich aus idealistischen Gründen Reviews schreibt, schon unter Druck gesetzt. Was kann man jetzt dazu beitragen, dass diese schöne Veröffentlichung nicht in der Flut von teilweise echt nichtssagenden BlablaBlupp-Platten untergeht? Versuchen wir es mit einem Holzschlagargument: So nah war schon lange niemand mehr an FJØRT und HEISSKALT dran. MEIJAR jonglieren gekonnt mit post-rockigen Flächen, lassen die Songs atmen, packen dir ans Herz und boxen dir im nächsten Moment mit ihren krachigen Gitarren in den Bauch.

MEIJAR 2021

Heil mich, halt mich fest

Um beeindruckt zu sein, muss man einfach nur mal darauf achten, wie fest MEIJAR ihre Kompositionen im Griff haben. Wie mühelos sie uns hektisch nach vorne schubsen und im nächsten Moment sanft über den Kopf streicheln („Mauerwerk“, „Fixpunkt“). Das Stop-and-Go ist so subtil, dass man gar nicht offensichtlich wahrnimmt, wie heftig die Taktänderungen sind, wie schnell sich der Rhythmus ändert. Man spürt nur eine latente Aufregung, fühlt sich extrem angefasst und erschöpft, wenn die letzten Töne von einigen Songs verhallen. Und man fühlt sich eingekesselt von MEIJAR, dazu verdammt die halbe Stunde aufmerksam zu sein und erleben, wie das Leben im Schnelldurchlauf auf uns niederprasselt. Dazu bedarf es nicht unbedingt vieler Worte, „Refroige“ überzeugt auch komplett instrumental und ganz sicher wäre es ein Leichtes gewesen, zu diesem Klangbild eine Geschichte zu finden. Aber so dürfen wir Hörer*innen unsere eigene aufsetzen.

Das Leben im Schnelldurchlauf

Den eingangs erwähnten Bezug zu FJØRT und HEISSKALT darf man genauso verstehen, MEIJAR ringen durchweg mit brachialer Härte und beruhigenden Melodiebögen. Ständig schmettern sie diese beiden Pole aufeinander, dabei klingen sie aber mitnichten wie ein Klon oder konstruiert. Hervorzuheben ist auch der grandiose Klang von Drums und Bass, beide donnern so akzentuiert aus den Boxen, dass es sich wie eine elektrisierende Massage anfühlt. Auch die Gitarren prügeln den Stress in uns rein, der in dem Song „Kratt“ thematisiert wird, indem MEIJAR um Erlösung und Hilfe bitten. Der heimliche Hit ist mit Sicherheit „Heem“, hier läuft die Band zur Höchstform auf und den Wunsch, noch einmal zurück in sorglose und sicherlich auch naive Zeiten reisen zu können, können sicher viele nachvollziehen.

Schmerzhaft und heilsam

MEIJAR arbeiten mehrstimmig, wobei eine der beiden Facetten auf ganz ungewohnte Art in den Hintergrund gestellt wird und fast schon wie das Unterbewusstsein aus einer anderen Ebene anzuklopfen scheint. Das wirkt angenehm poppig, sanft und irgendwie entrückt, fast schon vernebelt. Den krachigeren Gesang versteht man jederzeit gut, eindeutige Formulierungen treffen direkt ins Schwarze und beschönigen die Zustände nicht. „s/t“ dreht sich um Zweifel, um wütendes Strampeln, um sich von den gesellschaftlichen Fesseln oder – noch schlimmer – den selbst angelegten zu befreien.

Das Album ist eine Ode an die Vergänglichkeit und der zweifelhafte Versuch irgendetwas einordnen zu können. Zeit, Emotionen? Welchen Wert hat als das? Viele Songs haben eine Art Eigenleben, „Verschleiß“ scheinen MEIJAR mit aller Wucht totschlagen zu wollen. Weg mit dem Gedanken an das Ende oder lasst ihn uns versuchen die Tatsache mit aller verfügbaren Wut über den Verlust einfach zuschütten. MEIJAR gehen dahin, wo es weh tut. Schmerzhaft und heilsam, aber ganz sicher nachhaltig.

Dauer: 28:58
Label: lala Schallplatten
VÖ: 26.03.2021

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