Melting Palms – Noise Between The Shades – Review
Der Albumtitel „Noise Between The Shades“ passt perfekt zur frischen Platte der deutschen Shoegaze-Indie-Band MELTING PALMS aus Hamburg. Wobei Noise vielseitig interpretierbar ist. Klar ist aber, dass diese nach vorne wabernde und sich kaleidoskopartig verhaltende Soundspirale irgendwas öffnet, sich in eine Lücke zwängt und sich dadurch Entspannung einleitet.
Wenn man der Musik nachspürt, fühlt es sich an wie mit der nackten Fußspitze in einen warmen See zu tapsen und dabei klare Luft einzuatmen. MELTING PALMS sind also aktivierend und angenehm alle Sinne kalibrierend.
Musikalische Kalibrierung, vielseitig einsetzbar
Der Opener „Withering Flowers“ überkeuzt sich so doll, dass MELTING PALMS statt Harmonie zu verbreiten, aber erstmal für Irritation und Aufmerksamkeit sorgen. Verzweigte Gitarren buhlen um die Hoheit des Songs, während der Gesang ganz entspannt bleibt. Das folgende „Nova“ wirkt dann herrlich beruhigend, hat die Schichten deutlich besser im Griff. Metallofon und sich sanft aufbäumende Gitarren kabbeln sich sanft mit teils akustisch gezupften Harmonien.
Es steht MELTING PALMS verdammt gut, wenn sie sich Zeit nehmen für ihre Kompositionen. Die längeren Songs auf „Noise Between The Shades“ sind auf jeden Fall die besseren. Auch wenn der Gesang sublimiert, die Hauptanziehungskraft kommt von der Musik und die darf sich somit gerne breitmachen. In „Ark“ hört man sogar einen schon fast mittelalterlichen Unterton, weiblicher und männlicher Gesang verschmelzen und die Gitarren zerschneiden die Stimmung für aufbrausende Spitzen. Ein herrlich atmender Song, der nicht auf einer gerade Linie herumtänzelt, sondern offen für Abzweigungen ist.
Leicht und elfenhaft
Wenn MELTING PALMS dann wie in „Cascades Of Noise“, „Nymph“ oder „Crimson Eye“ etwas schneller werden, wirkt das schon fast hyperaktiv und aufgedreht fröhlich. Das Album „Noise Between The Shades“ ist angenehm frei von jeglichem Zeitgeist, nicht festzunageln auf eine Jahreszeit, Jahrzehnt oder Herkunftsland. Bisschen amerikanische Leichtigkeit im Sinne von DIIV und ein Hauch isländische Elfenhaftigkeit. Man kann viel anstellen mit und zu diesem Album: Auf dem Bett liegend an die Decke starrend („Cocoon“) und den Gedanken freien Lauf lassen. Einen Spaziergang in der Natur machen oder lange Autostrecken zurücklegen.
Mag profan klingen, aber viele Platten sind eben auf einen gewissen Lifestyle, eine konkrete Zielgruppe, häufig sogar optische Anpassung oder Liveeskalation festgelegt… und damit auch im Genuss limitiert. Einziges Manko der Platte ist, dass der Sound manchmal abhaut und MELTING PALMS in den besonders dichten Momenten ihre liebe Müh‘ damit haben, ihre vielen Schichten angemessen abzubilden und zu priorisieren. Aber da ist reine Rosinenpickerei, um dieser Lobhudelei Substanz zu verleihen.
Dauer: 39:52
Label: La Pochette Surprise Records
VÖ: 26.08.2022
Tracklist „Noise Between The Shades“ von MELTING PALMS
Withering Flowers
Nova
Cascades of Noise
Ark
Crimson Eye
Tangerine
Cocoon
Nymph
Orchard’s Lie
Sheela
Cyclone
Aurora
Aurora
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