Puscifer Existential Reckoning

Puscifer – Existential Reckoning – Review

Auf ihrem vierten Album „Existential Reckoning“ erzählt uns die amerikanische Band PUSCIFER die Geschichte von Billy D, der in Arizona verschwand. Relativ schnell wurde gemunkelt, dass es Außerirdische waren, die ihn sich geschnappt haben. PUSCIFER wagen sich an die Aufklärung, dabei könnte man bei dem Sound der Band und dem teilweise stark entrückten und sphärischen Gesang von Maynard James Keenan (TOOL, A PERFECT CIRCLE…) und Carina Round schnell auf die Idee kommen, dass sie selbst nicht von dieser Welt ist.

PUSCIFER 2020, Foto von Travis Shinn

Für die lange Strecke gedacht

PUSCIFER laden dazu ein, sich einfach mal auszuklinken und dem Aufbau unterschiedlicher Schichten zu lauschen. Der Opener „Bread And Circus“ eignet sich bestens dazu, um langsam in die Inszenierung hereingezogen zu werden. Hektik ist der Band fremd, das macht das Ein- und Versinken für die HörerInnen leichter. Die Eigenartigkeit und das Besondere von „Existential Reckoning“ erschließt sich erst, nachdem der letzte Ton verklungen ist. PUSCIFER gelingt es, eine gewisse Abhängigkeit und echte Bedürfnisse zu schaffen. Der Takt in „Apocalyptical“ geht streng nach vorne und ist eindeutig als solcher erkennbar. Trotzdem tanzen PUSCIFER damit in jeder Sekunden eben aus diesem üblichen Takt und verweigern sich. Die Gitarren blitzen in diesem Song als eine Art Wegmarkierung auf. Dafür, dass hier von „it’s far too late“ die Rede ist, zieht der Song schon fast stur nach vorne.

Verzögerte Eskalation

Den größten Stich machen PUSCIFER weiterhin, wenn die kühlen Synthies auf die Verschmelzung der beiden Gesangsstimmen treffen. Dann wird die Abweisung mit Emotionen unterfüttert und die Komposition erst richtig groß. Nimmt man sich „Bullet Train To Iowa“ oder das nüchtern zerrende „Grey Area“ genauer vor, erkennt man, dass PUSCIFER erstmal lediglich das weitergedacht haben, was DEPECHE MODE vor Jahrzehnten eingeführt haben. Im Gegensatz zu der bekannten Synth-Rock-Pop-Band aus England verzichten PUSCIFER auf offensichtliche Tanzbarkeit und dramatisch aufgebaute Eskalationen. Trotzdem kommt „Existential Reckoning“ immer auf den Punkt, wenn auch eher auf anderer Ebene. Das hat Ambient so an sich und der steht in der guten Stunde im Vordergrund. Die zusätzlichen aus den Achtzigerjahren entliehenen New Wave und Synth Pop-Szenen halten stets ein gewisses Niveau, sodass das Album einfach immer cool as fuck bleibt. Dabei sitzt jede einzelne Zeile wie ein gezielter Messerstich, erst bei genauem Hinhören wird man sich der inhaltlichen Wucht bewusst („Fake Affront“, „The Underwhelming“).

Funken für Deine eigene Projektion

Mit „Personal Prometheus“ lassen sich PUSCIFER besonders viel Zeit. Die Hymne ans Selbstdenken klingt warm und keine Spur aggressiv, durch die Hintertür nehmen PUSCIFER den HörerInnen die Angst vor der Einsamkeit. Hier macht sich eine gute Anlage bezahlt, dann drängt sich nämlich der Eindruck auf, dass die Musik wie Lava den Raum einnimmt, ihn brodeln erhellt und alle Ritzen ausfüllt. In solchen Momenten macht sich die Kunst selbstständig. PUSCIFER haben mit „Existential Reckoning“ den besten Zeitpunkt abgepasst, denn das Album eignet sich herrlich dafür, um komplett in Einsamkeit aufgesogen zu werden. Die Band klingt in meinen Ohren genauso experimentell und spannend, wie mir alle anderen TOOL immer verkaufen wollen. Das hier ist Kunst, die von innen zehrt und mit deinen eigenen Projektionen gespeist wird. PUSCIFER liefern nur den Funken.

Dauer: 1:00:58
Label: Alchemy Recordings | Pusicfer Entertainment | BMG
VÖ: 30.10.2020

Tracklist „Existential Reckoning“ von PUSCIFER
Bread and Circus
Apocalyptical
The Underwhelming
Grey Area 5.1
Theorem
UPGrade
Bullet Train To Iowa
Personal Prometheus
A Singularity
Postulous
Fake Affront
Bedlamite

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