Leo Reisinger – Bavarese – Review
Der Schauspieler und Autor Leo Reisinger zieht uns mit seinem ersten Roman „Bavarese“ in die dunklen Ecken, in denen sich die Münchner Schickeria und die harten Malocher treffen, um dubiose Geschäfte abzuwickeln. Reisinger kann Figuren nicht nur selbst spielerisch darstellen, sondern bringt sie auch auf Papier und lässt uns eine beachtliche Anzahl von Protagonisten sofort bemerkenswert nah erleben. Die kurzweilige und gut abgewogene Mischung aus Krimi, Liebeswirren und Mafia pendelt zwischen dem Münchner Großmarkt und unterschiedlichen Menschen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten, die mit dem Geschehen dort verbunden sind.
Zwischen Freundschaft und kriminellen Abhängigkeiten
In „Bavarese“ hält Josef „Sepko“ Kollinger die Fäden in der Hand. Er unterhält Beziehungen zu fast allen wichtigen Figuren des Romans und navigiert uns durch die Geschichte. Auf dem Großmarkt lernt er Lene und ihren kleinen Sohn Luca kennen. Die beiden kämpfen hart, um finanziell zu überleben. Sepko hilft ihnen, indem er nicht ganz legal einen Deal mit dem korrupten Gastronomen Pfeiffer organisiert und sich dabei selbst in einige Abhängigkeiten bringt. Er betrügt sogar seinen alten Arbeitgeber, der einst sein Förderer und enger Weggefährte war.
Was die Mafia mit Münchens Unterwelt zu tun hat
Leo Reisinger erzählt „Bavarese“ unkompliziert und ist in jedem Moment nah an der Realität und den Menschen. Die Dialoge sind wirklich aus dem Leben gegriffen und dementsprechend auch mal derb. Geschickt baut er die Brücke von eher harmlosen Gangstern wie dem Chinesen-Toni und dem Porsche-Paule bis hin zur kalabrischen Mafia der ‚Ndrangheta. Langsam, aber sicher schaukeln sich die Ereignisse hoch, und die Gier sowie die unterschiedlichen Ziele der Beteiligten potenzieren sich. Selbst der Polizei ist nicht zu trauen, und „Bavarese“ eskaliert in Gewalt und existenzbedrohende Szenarien.
Spannung und Überraschung bis zur letzten Seite
Leo Reisinger hat ein Händchen dafür, nicht ins Schwafeln zu geraten und dennoch so detailliert zu schreiben, dass man die Akteure in „Bavarese“ gut einschätzen kann – den Verlauf der Geschichte allerdings nicht. So fliegt man durch die vielen, nicht zu ausführlichen Kapitel, stets der Lösung und dem Finale entgegen. Auf irrationale Entscheidungen, wie man sich in Eifer des Gefechts mal fällt, fügen sich gut ein und halten die Spannung hoch. Sich aus sicherer Position mit den dunklen Machenschaften auseinanderzusetzen, hat natürlich einen besonderen Reiz. Das Ende kommt erfreulicherweise anders als erwartet und lässt Raum für Spekulationen. Ein toller Debütroman über die dunkle Seite unserer Gesellschaft, in der doch jeder ein großes Stück vom Kuchen abhaben will.
Seiten: 352
Verlag: Heyne Verlag
ISBN-10: 345342915X
ISBN-13: 978-3453429154
VÖ: 11.09.2024
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