Lest die Review zum Buch "Doch" von Drangsal bei krachfink.de

Drangsal – Doch – Review

Mit „Doch“ legt der Musiker DRANGSAL, bürgerlich Max Gruber, sein Autorendebüt vor. Damit nahm er nicht das erstbeste Angebot an, sondern das, bei dem ihm eine gewisse künstlerische Freiheit für die Texte zugesagt wurde. Was in seinem Fall auch Sinn ergibt. Denn, mit Verlaub, eine herkömmliche Biografie zu schreiben ist zwar mit Sicherheit einfacher, aber eben auch etwas zu konventionell für einen wie DRANGSAL.

Und so ist „Doch“ ein schillerndes Potpourri aus anachronistisch angeordneten Anekdoten und Texten unterschiedlicher Art geworden. Zusammen ergibt das ein schönes, aber auch angenehm ungerades Bild davon, aus wie vielen unterschiedlichen Teilen sich DRANGSAL zusammensetzt. Minus und Minus ergeben nicht immer Plus und nicht alle Wege führen nach Rom. Will meinen, dass die Pfade, die ihn auf die Bühne und zu seinem aktuellen Sound gebracht haben, häufig überraschend andere waren.

DRANGSAL, Foto von Gerald von Foris

Jeden Tag ein bisschen mehr verdorben

Aufgewachsen ist DRANGSAL in Herxheim und dass er sein Debütalbum mit dem altertümlichen Namen der Stadt „Harieschaim“ betitelt hat, war schon damals ein erstes Bekenntnis zum Ungewöhnlichen, gepaart mit einem Hauch Sentimentalität. Dementsprechend dreht sich also einiges auf „Doch“ um sein Aufwachsen in dem kleinen Dorf in der Pfalz und seine Familie. Wer einigermaßen vertraut mit den liebevollen und peinlichen Marotten der Leit aus de Palz ist, kann vieles davon in DRANGSAL und seiner Kunst wiedererkennen.

Er gibt einiges preis, über sein teilweise schwieriges Elternhaus und sichert trotzdem jederzeit Solidarität seiner Herkunft gegenüber zu. Seinen Vater beschreibt er einerseits als harten und ultramaskulinen Schlägertyp, schält aber ebenso seine liebevoll und beschützende Art heraus.

Von Herzen und Nasen brechen

Was alle Texte in „Doch“ von DRANGSAL vereint, ist aber diese stete Unsicherheit, die das Leben so mit sich bringt und dieses ständige Verschwimmen von Realitäten. Es gibt Zustände, die man gerne oder zwanghaft selbst beeinflusst, sei es durch Rausch oder ambivalentes Verhalten. Aber es gibt auch Momente, in denen einem das Leben zu entgleiten scheint, in denen man wahr von unwahr schwer unterscheiden oder sich selbst gegenüber eingestehen kann.

Darauf spielt DRANGSAL in seinem ersten Buch immer wieder an. Schon das erste Kapitel „Blase“ skizziert das Gefühl von Isolation und das wiederum wandelt sich zu dem Wunsch, mit Menschen körperlich zu sein, um diese vermeintlich kaum spürbare, dünne Hülle um sich selbst zu durchbrechen.

My boy, this life is fun

„The Roating Boy“ ist eines dieser Kapitel, in denen man nicht genau weiß, ob DRANGSAL hier Realität, Traum oder Wunschdenken beschreibt. Letztendlich ist es wohl eine Mischung aus allem. In erster Linie scheinen es die Beschreibungen seiner Kindheit, Schulzeit und ersten Liebeserfahrungen zu sein, in denen man „Doch“ als sehr persönlich und deshalb auch mutig empfindet. Aber eigentlich offenbart sich der tatsächliche Tiefgang häufig in der Hinleitung zum Kern der Sache („Lachen“), zwischen den Zeilen und letztendlich auch aus der Auswahl der Anekdoten und Texte. Genau wie in seinen Songs, wechselt seine Sprache schnell. DRANGSAL beherrscht fließend vulgär, poetisch, elegant und sarkastisch. Sätze wie „Meine Eltern waren jung, als ich sie mit meiner Geburt segnete, und nicht bereit, sich von meiner Existenz in ihrer postnatalen Unternehmungslust einschränken zu lassen“ lassen sich herrlich hin und herdrehen, obwohl sie erst eindeutig erscheinen.

Keine Antwort auf alle Fragen

Man kann nicht behaupten, dass DRANGSAL nach „Doch“ ein offenes Buch wäre oder sich über alle Maßen emotional nackig gemacht hätte. Er lässt uns eher teilhaben, am Leben als ständiger Findungsprozess, an sich gegenseitig scheinbar beißenden Einstellungen und Handlungen und am Reiz der Gegensätze. Er hat nicht den Anspruch diesen Prozess abzuschließen oder gar vollends zu verstehen. Er scheint eher fasziniert an den einzelnen Teilen des Kaleidoskop und den Möglichkeiten, diese unterschiedlich zusammenzusetzen. Dass „Doch“ unter dem Namen DRANGSAL und nicht Max Gruber erscheint, war mit Sicherheit eine rein marketingtechnische Entscheidung. Unterm Strich ergibt das aber total Sinn, denn Max Gruber und DRANGSAL sind längst untrennbar geworden.

Seiten: 176
Verlag: Claasen
ISBN-13: 9783546100403
VÖ: 10.03.2022

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