Vandalismus – Bombers From Burundi – Review
Zum Albumtitel „Bombers From Burundi“ hat sich der Rapper VANDALISMUS von einer ehemaligen Crossover-Hardcore-Band aus München inspirieren lassen. Für seine Texte lässt er sich von seinen sehr persönlichen Erfahrungen oder von seinem Blick auf seine Umwelt anregen. Es ist ein skeptischer und gleichzeitig auffällig feinfühliger Blick, seine Aussagen sind unmissverständlich und bereit dazu anzuecken. Sprachlich und inhaltlich. Oder wie er singt: „Muss ich das eloquent verpacken? Ihr seid scheiße!“
Untergrund für alle, denen die Uniform zu eng ist
VANDALISMUS spricht auf „Bombers From Burundi“ einige unangenehme Themen an, die Sample-Juwelen runden das verschachtelte Bild ab. Die einzigen Orientierungspunkte ist die Stimme von VANDALISMUS und der Schmerz, der von allen Seiten nach innen zu drücken scheint. Wir können als Gesellschaft aus jedem einzelnen Song Lehren ziehen. Und am meisten aus denen, die auf uns besonders intim und persönlich wirken und bei denen man auf den ersten Blick einfach nur Audio-Voyeurismus zu betreiben scheint („Place De Caen“).
VANDALISMUS ist mitnichten larmoyant. Aber man braucht wirklich nicht viele Synapsen, um zu erkennen, dass man häufig durch pure Ignoranz daran schuld ist, dass es anderen schlecht(er) geht. „Menschenfressermenschen“ drückt den Finger tief in die schorfige Wunde und ohne sprachlich explizit zu sein, sind die zwischen den Zeilen versteckten Emotionen doch heftig. Für manche eventuell sogar zu heftig. Statt mit dem vorhersehbaren Spiegelbildprinzip zu kommen, versucht er zu erklären, wie aus Opfern Täter werden konnten und was das mit uns zu tun haben könnte.
Ästhetische Entscheidungen sind immer moralisch
Das Sample-Archiv im Hause VANDALISMUS muss riesig sein. Rückblickend sagt man natürlich, dass alle Samples auf „Bomber From Burundi“ passend sind, aber überhaupt diese präzise Auswahl zu treffen, setzt schon eine gewisse Extra-Kurve im Hirn voraus. Mit dem spitz hallenden „Störzone Skit“ gibt es eine interessante philosophische Abhandlung über den Zusammenhang von Ästhetik und Moral. Ein Zusammenhang, der gerade vielen Kunstfreunden bitter aufstößt, denn welcher Freigeist mag sich schon von fremd definierten Schönheitsidealen heimlich beeinflussen lassen?Dann doch lieber dem Philosophen Kant anschließen, der unsere Entscheidung in diesem Fall dem Verstand zuschreibt. Ist man als Hörer*in erstmal verstrickt in der Welt von VANDALISMUS, dann darf man den bemerkenswerten Song „Minus 1“ sogar als kleine Motivationshymne verstehen. Er spricht von den Dingen, die ihn glücklich machen und die aufrichtige Reflexion wird am Ende für jede*n Einzelne*n auf eine ähnlich überschaubare Liste von leicht erreichbaren Dingen sein.
Niemand hat vor, der Erlöser zu sein
Was man auch auf keinen Fall unterschlagen darf, sind die vielen Widerhaken. Die Refrains der meisten Lieder gehen sofort ins Ohr, ohne billig nachzuwirken wie schäbige Popsongs. Auch die Beats auf „Bombers From Burundi“ sind wieder auffällig gut gelungen. Jeder der zwölf Tracks auf dem Album hat einen anderen Anstrich und trotzdem wirkt alles wie ein zusammenhängendes Haus. Ein windschiefes, buntes Hexenhaus, bei dem man nie weiß, was hinter der nächsten Ecke ist. Ein Haus, bei dem man sich fragt, ob da vorne nicht gestern noch ein ganz anderes Zimmer war. Ein Haus, das von innen viel größer ist, als es von außen gewirkt hat und in dem man sich manchmal vetläuft… aber hey, es ist ein Haus. VANDALISMUS kann ohne Probleme Gitarren in seinen Rap integrieren und bei „Ich kann mit dem ganzen Hass nicht schlafen“ packt er ganz selbstverständlich Vocoder und Synthies aus, ohne dass es irgendwie störend wirkt.
Kein Wunder, denn Stören ist Teil seiner subversiven Kunst. Das Album klingt nach einem, der dazugehören wollte. Bis er bitter erfahren musste, dass diese vermeintlichen Sehnsuchtsorte noch widerlicher sind, als die eigenen Umstände, für die man sich bisher immer geschämt hat. Kann ich sehr gut nachfühlen. Vandalismus bezieht sich auf die blinde Zerstörungswut von Sachgegenständen. Hier geht es um Zerstörung von Dingen, die man nicht sieht und nicht reparieren oder ersetzen kann.
Dauer: 40:59
Label: Audiolith
VÖ: 23.06.2021
Tracklist „Bombers From Burundi“ von VANDALISMUS
Ninja
Punks Freaks Kingz
Schweinesonne
Menschenfressermenschen
Natas Kaupas
Ich kann mit dem ganzen Hass nicht schlafen gehen
Störzone Skit
Minus 1
Place de Caen
I Feel Hardcore
Tentakel
Katzengott
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Noch nie gehört, aber wenn es halb so gut ist, wie die Review verspricht, lohnt es sich. Danke schonmal.