Kerstin Sgonina – Als das Leben wieder schön wurde – Review
Mit ihrem Buch „Als das Leben wieder schön wurde“ beleuchtet die deutsche Autorin Kerstin Sgonina das Nachkriegsdeutschland der Fünfzigerjahre aus einem ganz anderen, interessanten Blickwinkel. Es geht um Greta, die aus Schweden nach Hamburg kommt, um ihren Vater nach langer Zeit zu überraschen. Das Wiedersehen ist weit entfernt von einer harmonischen Familienzusammenkunft. Denn in erster Linie möchte Greta wissen, wo ihre Mutter abgeblieben ist, die seit mehreren Jahren grußlos verschwunden ist.
Glücklicherweise macht sie schnell die Bekanntschaft von Trixie aus Blankenese und Marieke aus Ostpreußen. Drei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und trotzdem zusammenfinden, um sich gegenseitig zu unterstützen und gemeinsam einen mobilen Schönheitssalon zu eröffnen.
Während man heutzutage mit dem Wort Schönheitssalon vor allem Oberflächlichkeit verbindet, hatte diese Institution kurz nach dem Krieg natürlich eine ganz andere Bedeutung. Nach langer Entbehrung, viel Kummer und Schmerz, war es eine Möglichkeit für Frauen, sich wieder selbst wahrzunehmen. Den Luxus zu haben, sich um Aussehen kümmern zu können, Berührungen zu genießen, die schlicht dem Wohlbefinden dienen, das war eine Besonderheit.
Zusammen ist keiner alleine
Es gelingt Kerstin Sgonina gut, in „Als das Leben wieder schön wurde“ mehrere Stimmungen miteinander zu verbinden. Auf der einen Seite gibt es diese selbstbewussten Frauen, die alle ihre Probleme haben und sich davon nicht unterkriegen lassen. Allerdings spart sie auch nicht die wirklich düsteren Momente der tatsächlichen Geschichte Deutschlands aus. Die an den Krieg anschließende Sprachlosigkeit, verzögertes Schuldbewusstsein von manchen, die Unterdrückung der Frauen und die Knappheit von Arbeitsplätzen, Essen und Wohnraum. Immer dann, wenn der Rückblick zu düster wird, lenkt sie aber wieder zurück zum Schönheitssalon und den positiven Erlebnissen. Ihre Sprache ist leicht, aber nicht beliebig.
Und es gibt überdurchschnittlich viele, sehr gut ausgearbeitete und immer wiederkehrende Personen, zu denen man schnell Sympathien aufbauen kann. Mit Sicherheit beleuchtet Kerstin Sgonina jeden Aspekt der Nachkriegszeit. Auch wenn man den Eindruck gewinnt, dass alles auf ein Happy End hinführt, dann bleiben in „Als das Leben wieder schön wurde“ viele Schattenseiten einfach so stehen. Man lernt sie mit den Protagonisten zu akzeptieren, ihnen die schönen Seiten abgewinnen zu können und das Beste daraus zu machen.
Realität statt Geschichte
„Als das Leben wieder schön wurde“ ist ein kurzweiliges Buch, das ganz nebenbei geschichtlich bildet. Viele Schauplätze existieren genau so, leider auch die Tötungsanstalt in Hadamar. Kerstin Sgonina gelingt es klar zu machen, dass damals echte Menschen mit echten Gefühlen gelebt haben. Es sensibilisiert dahingehend, dass wohl alle Dinge zu verarbeiten haben und jede Situation einzeln betrachtet werden muss. Das mag banal klingen, nimmt aber den Erzählungen über damals das Abstrakte und macht hoffentlich nochmals deutlicher, dass Krieg keine gute Idee ist.
Seiten: 512
Verlag: Wunderlich Verlag
ISBN-10: 3805200455
ISBN-13: 978-3805200455
VÖ: 26.01.2021
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