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Bettina Göring – Der gute Onkel – mein verdammtes deutsches Erbe – Review

Bettina Göring ist die Großnichte von Hermann Göring, das ist die Grundlage für das Buch „Der gute Onkel – mein verdammtes deutsches Erbe“, das sie mit Unterstützung von der im Thema ebenfalls erfahrenen Melissa Müller geschrieben hat. Das Verwandtschaftsverhältnis scheint klar, ist aber trotzdem etwas komplizierter: Ihre Großmutter Ilse hat ihren Onkel geheiratet, den Halbbruder ihrer Mutter und somit war Hermann Göring deren Onkel und zugleich der Schwager.

Eigentlich besteht das Buch aus zwei unterschiedlichen Ebenen und hätte genauso gut aufgesplittet werden können. Wir springen zwischen den Ereignissen vor, während und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, die vielen Zahlen, Fakten und verworrenen Verwandtschaftsbeziehungen sind manchmal schwer zu lesen und zu verstehen. Dazwischen springen wir immer in das Aufwachsen und frühe Erwachsenenleben von Bettina Göring, werden gleich zu Beginn darauf angestimmt, dass sie weltoffen und links engagiert ist.

Was hätte ich getan?

„Der gute Onkel – mein verdammtes deutsches Erbe“ von Bettina Göring will viel vermitteln, es gibt auch wirklich einiges zu erzählen über den Göring-Clan, die zahlreichen Nutznießer und die Auswirkungen auf die nachfolgende Verwandtschaft. Einiges davon wurde auch schon in Dokumentationen erzählt, nach Aussage von Bettina Göring aber nicht immer klar genug in den von ihr gewünschten Kontext gesetzt. Das Buch ergibt letztendlich am meisten Sinn, wenn man sich selbst die übergeordneten Fragen stellt: Wie konnte es dazu kommen? Welchen Anteil hatte meine Familie am Leid, wovon haben sie profitiert? Und natürlich auch die wichtigste aller Fragen: Was hätte ich getan? Blutsverwandt mit einem der einflussreichsten Täter zu sein, ist natürlich nochmal eine andere Hausnummer, so richtig geht Bettina Göring aber nicht darauf ein.

Über Brücken zwischen der Vergangenheit und der Zukunft

Stattdessen wechseln wir zwischen sehr detailliertem und aufschlussreichem geschichtlichem Hintergrundwissen über Göring und dem Leben von Bettina Göring. Letztendlich wendet sie sich der Bhagwan-Bewegung, folgt also auch einem selbst definierten Glauben, mit einschneidenden Folgen auf ihr Leben. „Der gute Onkel – mein verdammtes deutsches Erbe“ von Bettina Göring punktet besonders mit vielen Fotomaterial, das die Banalität des Bösen darstellt – zur Vertiefung dieses Aspektes empfiehlt sich der Film „The Zone Of Interest„. Opportunismus und der Wunsch sich im richtigen Moment zu bereichern, wurden Göring als eine gewisse Weichheit ausgelegt.

Besonders die Szenen, in denen Bettina Göring schildert, dass ihre Großmutter bis zum Schluss uneinsichtig und eine überzeugte Holocaust-Leugnerin war, sind schockierend. Ebenso die Tatsache, dass sie deren Pelzmantel aufträgt, erst später wird ihr bewusst, dass der wohl auch ein Geschenk von Hermann Göring sein muss. Wer weiß, welchen Pelzmantel wir im übertragenen Sinne seit Jahrzehnten unbewusst tragen?

Seiten: 416
Verlag: Droemer
ISBN-10:  3426276585
ISBN-13: 978-3426276587
VÖ: 01.02.2024

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