Haiyti – Mieses Leben – Review
Bäämm! Die Hamburger Rapperin HAIYTI hat es wieder getan und uns ohne Vorwarnung „Mieses Leben“ vor die Füße geworfen. Das ist schon etwas zum Grinsen, vor allem wenn man bedenkt wie sich manche einen abbrechen für neue Musik und wie tiefschürfend sie den Weg dahin vorher wochenlang zelebrieren.
Einige Hardcore-HAIYTI-Fans haben wahrscheinlich eh keinen Plan, welcher Tag heute ist und was gestern war, von daher passt das. Pralle 18 Batzen gibt es zu verdauen und der entscheidende Zuruf für das Album wäre wohl: Es ist härter geworden, etwas gerader als „Influencer“. Wer feinfühlig ist, hört das in jedem Song und merkt es an so Kleinigkeiten, wie der Normalschrift der Songtitel, die vorher alle konsequent kleingeschrieben wurden.
Wie viel kostet mein Leben?
Es gibt mehr Befriedigung für diejenigen, denen beim letzten Schlag die groben Songs „sweet“ und „burr“ besonders gut gefallen haben. Es ist weiterhin krass zu hören, wie HAIYTI auch auf „Mieses Leben“ zwischen vermeintlicher Simplizität und einigen emotional bewegenden Schellen schwenkt.
Diese komplette Selbsterniedrigung, der schonungslose Seelenstriptease im einen Moment und dann die dicke Lippe im nächsten. Auf die Spitze getrieben, wird das im angriffslustigen, von hektischen Synths angetriebenen „Freitag“ oder „Snob“ und dem nach Ende schmeckenden und zynischen „Paris“.
Härter ist nur bebi_cool
Manche Jokes rafft man gar nicht beim Erstkontakt, wieder andere kommen so spontan („Was Noch“), dass man spontan laut lachen muss. Kurzum: „Mieses Leben“ macht Megaspaß! Natürlich gibt es auch wieder lyrische Querverweise auf die älteren Songs, womit HAIYTI ihr Kunstwerk zusammenhängend gestaltet. Mit „Robbery is back“ kündigt sie gleich am Anfang das Ende an, grundsätzlich stellt sie wieder alles auf den Kopf, hebelt alles aus und dreht sich den Shit so, wie er ihr schmeckt. Mit KAISER NATRON und JACE finden sich zwei Features auf der Platte, beide sehr gelungen, da hier keine billige Anbiederung zu hören ist, sondern im Song zwei MCs auf Augenhöhe zusammen kreativ sind.
„8 Stunden Arbeit (feat. Kaisa Natron)“ fällt durch die atmosphärische Zweiteilung und den disharmonischen Düsterbeat auf. Auch der Text ist noch etwas fieser und realstischer, als der Rest sowieso schon. Nun tanzt Trap im Hip-Hop-Kosmos eh aus der Reihe, HAIYTI sticht aber selbst hier noch durch Extravaganz hervor und prägt eine komplette Szene durch ihre beinharte Kompromisslosigkeit.
Ich wünsch euch noch ein mieses Leben
Wahrscheinlich kann HAIYTI mittlerweile aus einer langen Liste von Producer*innen wählen, dabei beweist sie Klasse. „Mieses Leben“ ist weit entfernt von Standard und die musikalische Grundstimmung ist stets dunkeldüster und manchmal noch etwas psycho bis irre.
Sie thematisiert ihre Herkunft, die tiefe Verwurzelung mit ihrem Viertel und entsprechenden Grundwerten, aber auch ihre ständige Langeweile und den damit verbundenen Wunsch, manches tiefer zu fühlen und echter erleben („Toxisch“, „Helikopter“) zu können – die übliche Botschaft aus „Rette mich“ und „Komm mir bloß nicht zu nahe“. „Mieses Leben“ ist trotzdem etwas weniger ausgewogen, als „Influencer“. Aber einfach nur was die Wahl der Waffen und des Tons angeht. Die Kompositionen selbst sind schon stark kontrastiert.
Mir gefällt das Album einen Deut besser, da ich auf diesen ultragrindigen Trap stehe und die unberechenbare Art von HAIYTI so noch besser zum Ausdruck kommt. Die Nerven sind zum Reißen gespannt, denn jederzeit kann alles passieren und es hätte mich nicht gewundert, wenn HAITYI schon früher laut und fies geschrien hätten und nicht erst beim abschließenden, selbstkritischen „Wolken“. Aber das kommt eventuell beim nächsten Album, Songtitel dann in Versalien?!
Dauer: 39:01
Label: Hayati Records
VÖ: 16.04.2021
Tracklist „Mieses Leben“ von HAIYTI
Intro
Robbery is back
Snob
OMG
Toxisch
Papi Chain
Helikopter
Freitag
Was noch
Erster Tag
Paris
Minusmensch
8 Stunden Arbeit (feat. Kaisa Natron)
Trap OG
Regen und Niesel
50/50 (feat. Jace)
Aszendent Trapstar
Wolken
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