Ingo Neumayer – Die Geschichte der Donots: Heute Pläne, morgen Konfetti – Review
Um mal gleich vorab in die Vollen zu gehen: Mit „Die Geschichte der Donots: Heute Pläne, morgen Konfetti“ legt der Autor Ingo Neumayer die beste Bandbiografie vor, die seit Langem veröffentlicht wurde. Dieses Urteil war nicht absehbar, da ich selbst eine seltsame Anekdote mit der Punkband aus Ibbenbüren habe und den DONOTS schon immer zwiegespalten gegenüberstehe. Was zuerst positiv auffällt, ist der Umfang; 360 pralle Seiten und ein großes Format, vollgepackt mit viel buntem Bildmaterial, sodass man sofort Lust auf den Inhalt bekommt. Es ist bekannt, dass die Band in der Szene gern gesehen ist und alle die DONOTS als besonders sympathisch und aufgeschlossen beschreiben. Dementsprechend hat Ingo Neumayer auch viele Stimmen eingefangen und die tatsächliche Vertrautheit merkt man daran, dass die meisten frotzeln und ihre eigentliche Lobhudelei mit Humor verschleiern.
Die komplette Reise von Anfang bis heute
„Die Geschichte der Donots: Heute Pläne, morgen Konfetti“ steigt mit der Kindheit der Gebrüder Ingo und Guido Knollmann ein. Die beiden scheinen aus einem guten Elternhaus zu stammen, was jetzt nicht auf materielle Werte, sondern eher auf emotionale bezogen ist. Während der Nachwuchs heutzutage so häufig mit dem Smartphone geknipst wird, dass man beinahe ein Daumenkino vom Leben erstellen könnte, transportiert die vorhandene Bilderflut der Knollmanns Zusammenhalt, Harmonie und auch einer schönen Einstellung zur Vergangenheit. Wenn man mit Mitte Vierzig heutzutage gerade mal ein Fotoalbum zusammenkriegt, ist das nicht ungewöhnlich, das war damals einfach nicht so angesagt. Ingo Neumayer zeigt uns wirklich jeden noch so kleinen Schritt der Bandgeschichte auf, letztendlich ist auch alles wichtig und formt das Profil der DONOTS. Wir erfahren von der Gründung der Band, den Ideen und den anfänglichen Idealen. Ihre Wünsche erreichte die Band deutlicher schneller als erwartet.
Kein gerader Weg, aber es fügt sich alles
Wie bei einigen Bandbiografien scheint auch die Karriere der DONOTS vorbestimmt, alles fügt sich. Schon sehr früh lernt die Band andere, mittlerweile große, Bands in deren Anfangstagen kennen. Mehrere Jahrzehnte nach dem ersten Kennenlernen kommen DONOTS so beispielsweise an den Supportslot von GREEN DAY, von der Bands eigenhändig aus über dreihundert Bewerber*innen ausgewählt. DONOTS laufen aber nach diesem Supportslot auch die Extrarunde und starten mit einem Bauchladen, vollgepackt mit ihren eigenen Platten, eine Runde durch das Publikum. Das macht sie sympathisch, das ist effektiver als jeder konstruierte Marketingmove von der Plattenfirma. Eher zufällig erfährt die Band irgendwann davon, dass sie in Japan wohl ziemlich beliebt ist und kurz nachdem dieser Verdacht auf Echtheit geprüft und bestätigt wurde, finden sich die DONOTS in Japan wieder.
Sie spielen gut besuchte Konzerte, tingeln durch TV-Shows und knüpfen wieder fleißig Kontakte. Daraus resultiert ihr Label Solitary Man Records, über das sie erst andere Bands in Japan veröffentlichen und viel später auch ihre eigene Musik. Konzerte veranstalten, Kontakte knüpfen, starke Liveshows spielen und einfach machen – das sind die Stärken der DONOTS, das treibt sie an und nach vorne. Leider war die Band bei GUN unter Vertrag, ein Label, das sie zwar auch gut vermarktete, aber auch sukzessive verändern wollte. Trotzdem findet die Band den Weg in die Bravo und ist Dauergast bei Viva und MTV, was ihrer Bekanntheit natürlich zuträglich ist.
Die Band wird zur Allzweckwaffe
Aber ehrlich gesagt vergessen die DONOTS damals auch tatsächlich Wert auf ihr Songwriting zu legen. Oder um mal Bassist Purgen aus „Die Geschichte der Donots: Heute Pläne, morgen Konfetti“ zu zitieren: „Ich glaube, ich hätte uns live geil gefunden, auf Platte zu glatt und die Videos echt beschissen.“ Hätte ich genauso unterschrieben. Glücklicherweise treffen DONOTS kurz darauf auf den Produzenten Kurt Ebelhäuser (BLACKMAIL, SCUMBUCKET), der ihnen schonungslos sagt, dass (O-Ton!) alle bisherigen Platten total beschissen sind. Er schafft es, bei der Band einen Knoten zu lösen und sie auch kompositorisch weiterzubringen. Damit wird die Band zur Waffe und kann jetzt wirklich auf jeder, für eine Karriere wesentlichen Ebene, abliefern.
Kontaktfreudiger Sympathentrupp
Um jetzt mal THEES UHLMANN zu zitieren: „Man kennt sich in Deutschland relativ schnell, wenn man Musik macht…“ Das merkt man und so wird „Die Geschichte der Donots: Heute Pläne, morgen Konfetti“ im letzten Drittel zu einer Galerie von Sehen und Gesehen werden. Überflüssig zu sagen, dass die Szene sozusagen ausnahmslos aus Dudes besteht, die man auf den Fotos abkumpeln sieht. Man muss noch nicht mal tief im Business stecken, um zu schnallen, dass DONOTS irgendwann eine Schwelle überschritten haben, ab der man einfach mitspielen darf. Jeder kennt jeden, man sieht sich immer auf den einschlägigen Festivals und wenn man dann kein kompletter Arsch, sondern noch darüber hinaus gesellig und nett ist, kann eigentlich kaum was schiefgehen. Für ein durchgestrichenes Hakenkreuz als Backdrop gibt es grundsätzlich Lob, andere finden das aber eben einfach zu plakativ.
So viel Punk wie möglich
Die DONOTS hadern am Anfang ganz schön damit, ihren Wurzeln treu bleiben zu wollen. Sie sagen vieles ab, verweigern sich manchmal einfach aus Prinzip und schaffen trotzdem den Weg nach oben. Nicht alle Entscheidungen sind nachvollziehbar, manche sind schlichtweg krampfhafte Versuche noch so viel Punk wie möglich zu bleiben. So lassen die DONOTS beim Deal mit Universal eine, aus ihrer Sicht spaßige, Klausel einbauen, dass alle von der Plattenfirma die Taschen voll Salz packen und ein Eichhörnchen zeichnen müssen, für das die DONOTS die kompletten Rechte bekommen. Und während Lars Ulrich damals wegen über Napster illegal gezogener Musik von seiner Band METALLICA gleich den großen Prozess angezettelt hat, forderten die DONOTS die Leute dazu auf, gern ihre Musik herunterzuladen und spekulierten auf anschließende Konzertbesuche.
Sie drosselten auch ihre Gagenforderung für die großen Festivals, einfach um die Chancen zu erhöhen dort zu spielen. Beides für sie effektiv, aber zu kurz gedacht, denn das entzieht Musik auf gewisser Art die Wertigkeit, sorgt für Spätschäden und drückt für alle, die nach ihnen kommen, die Gagen. Und es gäbe sicher noch einen Mittelweg zwischen Verklagen und zum Download ermuntern. Sprüche wie 2017 bei Rock am Ring „Herr Lieberberg, können Sie nicht einfach noch einen Tag dranhängen?“ kommen natürlich bei den Verantwortlichen besonders gut an. Die Meinung zu so großen Festivals und deren Auswirkungen auf die Festivallandschaft, sind selbstredend in Punkkreisen, aber nicht nur dort, umstritten.
DONOTS sitzen fest im Sattel
Letztendlich hilft mir „Die Geschichte der Donots: Heute Pläne, morgen Konfetti“ von Ingo Neumayer aber sehr, meine eingangs angedeutete Anekdote mit der Band und auch die – auf mich oftmals irritierend wirkenden – Entscheidungen besser einordnen zu können. Man muss kein Die-hard-Fan von den DONOTS sein, um anhand des Buches respektvoll feststellen zu können, dass die Band wirklich alles gegeben hat, um dahin zu kommen, wo sie heute ist. Das pralle Buch ist aufwendig und liebevoll gestaltet, zwischendurch gibt es immer schön arrangierte Stillleben, in denen DONOTS kurzweilige Rankings bekannt geben. Am Ende des Buches ist eindeutig klar, dass die Band einen felsenfesten Stand in der Szene hat und wirklich ganz große Scheiße bauen müssten, um diesen zu verlieren. Aber das Buch macht auch eindeutig klar, warum die Band dahin gekommen ist, vollkommen berechtigt und verdient.
Seiten: 360
Verlag: Ventil Verlag
ISBN-10: 3955751252
ISBN-13: 978-3955751258
VÖ: 16.04.2021
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