Madsen – Na gut dann nicht – Review
MADSEN wenden sich mit „Na gut dann nicht“ offensiv dem Punk zu. Abgesehen davon, dass ich es bei der Band nicht abwegig oder überraschend finde, kann die Punkerpolizei gleich den Rückwärtsgang einlegen. Es ist nämlich verdammt gut geworden, das mittlerweile achte Album der Band und lediglich über die darin geäußerte Qualität von Hansapils lässt sich streiten.
Zeit, um laut zu sein
Im eröffenden Titelsong „Na gut dann nicht“ lassen MADSEN anklingen, warum sie sich weg vom Indierock und hin zum Punk bewegen. Offensichtlich sieht die Band darin eine angemessene Protestmöglichkeit und – da sind wir uns einig – dringenden Bedarf einer größeren Bewegung, die im richtigen Moment den Mund aufmacht. Die Zeiten, in denen man still und heimlich daheim gegen und für etwas sein konnte oder seine Gedanken maximal im Reflex ins Netz reihert, sind vorbei.
Schimpfen, aber mit Nachdruck
Schon im zweiten Song „Herzstillstand“ ziehen MADSEN auch musikalisch an. Punk muss in Reha, soviel ist klar. Dreckiges Powerriffing, tritt auf charttaugliche Melodien und effektive Abwechslung. Spätestens jetzt ist klar, dass MADSEN genau dieses Album machen mussten. Die Band trifft den richtigen Ton, inhaltlich und musikalisch. Im Hinblick auf den Gesang gibt es war gegrölte und deftigere Passagen, aber MADSEN verstellen sich nicht unangenehm und variieren auch immer mit ihrem unverkennbaren melodischem Klargesang.
Im schön nach vorne gehenden und stellenweise grob gehackten „Quarantäne für immer“ zeigt sich auch, dass MADSEN einfach wissen, wie man nachhaltige Songs schreibt. Das Genre ist dabei wumpe. Vermeintlich lustig, aber ausgesprochen zynisch und bissig, rechnen sie mit denjenigen ab, die ihre Apathie auch noch stolz vor sich hertragen. Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie sehr nerven euch die Leute, die stolz erzählen, dass sie die Quarantäne mal so gaaaar nicht merken, weil sie eh immer daheim hocken und Serien glotzen? Haha, voll witzig, oder? Abgesehen von der räumlichen, gibt es auch eine emotionale oder auch einfach humanitäre Distanz, die es dringend zu überwinden gilt.
Likes sind kein Protest
Mit „Protest ist cool, aber anstrengend“ greifen MADSEN genau diese Leute am Schopf. Die Welt scheint komplexer zu sein, das Gefühl überfordert zu sein, ist nachvollziehbar. Aber Instalikes vergeben und coole Pins am aussagekräftige Jutebeutel anbringen, stimmt keine Nazis um, verbessert nicht die Klimasituation und ändert auch nichts am zuspitzenden Kapitalismus und dessen Folgen. Mit „Wir nennen dich Mücke“ gönnen sich MADSEN ein ganz persönliches Loblied auf ein Crewmitglied. Ohne zu wissen, um wen es geht, haut der Refrain nach zwei Bier auch gut rein.
Sind MADSEN Punk genug?
Benjamin von Stuckrad-Barre erläutert uns im abschließenden „Na gut“ auf bewusst provokante Art und Weise, wie sehr es uns zusteht zu beurteilen, ob MADSEN jetzt Punk genug sind oder nicht. Aber am besten erinnern wir uns genau dann an den Song „Behalte deine Meinung“. Dem Impuls, alles und jeden zu kommentieren, kann man auch ruhig mal widerstehen und seiner Meinung etwas mehr Macht zugestehen. Dementsprechend gilt es zu überdenken, was man äußert und sich im Vorfeld über Themen ausgewogen zu informieren.
Man könnte behaupten, dass MADSEN einfach ihren bisherigen Sound auf Punk transferiert hätten. Das wäre aber zu einfach und würde der Tiefe von „Na gut dann nicht“ absolut nicht gerecht werden. Es ist ein echtes Punkalbum, für das MADSEN sich aber nicht verbogen und somit auch nicht selbst mit ihren bekannten Eigenheiten verleugnet haben.
Dauer: 35:38
Label: Arising Empire
VÖ: 09.10.2020
Tracklist “Na gut dann nicht” von MADSEN
Na gut dann nicht
Herzstillstand
Quarantäne Für Immer
Auf deinem Balkon
Supergau
Protest ist cool, aber anstrengend
Scheiße zu Gold
A.W.M.
Behalte deine Meinung
Trash TV
Wenn du am Boden liegst
Wir nennen dich Mücke
Na gut (Benjamin von Stuckrad-Barre)
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