Marathonmann – Maniac – Review
Mit „Maniac“ holt die Band MARATHONMANN zu einem großen Befreiungsschlag aus, der sich eigentlich schon seit Jahren andeutete. Auch wenn ihnen der Widerwille nicht wirklich ins Gesicht geschrieben stand und sie mit Sicherheit noch Spaß auf der Bühne und im Studio hatten, so war ihre ursprünglicher Post-Hardcore doch schnell verseucht von anderen Einflüssen, Akustiksessions und Texten, die viel zu offenherzig und gefühlig wirkten. Einigen war das zu poppig, manchen wirkte das schnell zu weichgespült und für viele klang das von Beginn an sowieso überhaupt nicht nach Punk und nach Hardcore schon gar nicht.
Sänger und Gitarrist Michi verschwand während der Pandemie komplett in den Achtzigerjahren, fuchste sich tief in die schrille Mode, reichhaltige Popkultur, Ästhetik und eben auch tolle Musik ein. Und nun findet die Band, zwölf Jahre nach ihrer Gründung, endlich eine Ausdrucksweise, die ihnen steht, die sie authentisch darbieten können, ohne mit Argwohn auf den bisherigen Weg schauen zu müssen.
Marathonmann setzen alles auf Risiko
Der Eskapismus von Michi tat der Band MARATHONMANN also mehr als gut und „Maniac“ wirkt nicht wie eine Imitation, denn er hat gründlich recherchiert. Auch Drummer Jo hat sich schnell mit dem lockeren, tanzbaren Takt angefreundet, treibt die Kompositionen locker nach vorne. Und wenn auch vieles anders geworden ist, so bauen MARATHONMANN doch auf bewährte Stärken vor und sind in jeder Sekunde als sie selbst erkennbar.
Das nach hinten blickende „Diamant“ befasst sich wieder mit dem Verlust einer geliebten Person, ein immer wieder auftauchendes Thema in ihrer Diskografie. Dieses unkaputtbare und magisch glänzende Mineral als Metapher für eine den Tod überdauernde Verbindung zu wählen, mag kitschig wirken. Ebenso wie das Piano, das an Hits wie „1000 Mal berührt“ erinnert, braucht genau diese affektive Überbetonung, um die komplette Wirkung zu entfalten. Wer bei „Almanach“ nicht mindestens heftig mit dem Fuß wippt, war noch nie maniac on the floor, ob bestärkt durch Kaltschalen oder einfach aus einer ansteckenden Geselligkeit heraus.
Sei am besten einfach das, was du bist
„Über seinen Schatten springen, ist am Ende gar nicht so leicht…“ so singen MARATHONMANN im von monumentalen Synthieflächen eingezäunten „Clock Tower“. Letztendlich transportiert das Album „Maniac“ auch genau das. Grenzen überschreiten, das tun, was glücklich macht und nicht das, was man gerne wäre oder noch besser, wie andere dich gerne hätten. Im Fall der Band lag es ihnen nie, große politische Gesten zu machen, selbst wenn ihre Position immer klar war, ebenso wenig wie aggressiv aufzutreten. Gitarren benutzen MARATHONMANN übrigens weiterhin, setzen nur nicht mehr so kantig, sondern eher mit nachdrücklicher post-punkige Varianz („Alone In The Dark“) oder eben als Verstärkung ein, um mehr Dynamik zu erzeugen.
Ein Quäntchen Übertreibung schadet nicht
In „Tie Fighter“ vereinen sich mit MAFFAI, eine Band, die ebenfalls aus dem Punk kommt, aber eigentlich immer etwas abseits des Pfades tänzelt und auch so wirkt, als ob sie gerne etwas anderes machen würden. Das charmante „Du bist die Nacht“ ist eine der wenigen Songs, bei denen MARATHONMANN mit dem Drumloop und der Stranger-Things-Verneigungen etwas zu offensiv mit ihren Einflüssen kokettieren. Allerdings befindet man sich bis dahin schon im Tanzrausch und auf Konzerten ist es ja häufig das Quäntchen Übertreibung, das die Stimmung anherrscht. In meinen Ohren klangen MARATHONMANN noch nie so echt, wie auf „Maniac“ und ich bin froh, dass sie sich endlich getraut haben.
Dauer: 42:16
Label: Redfield Records
VÖ: 19.05.2023
Tracklist „Maniac“ von MARATHONMANN
Maniac
Feuer
Auryn
Diamant
1985
Einraumleben
Du bist die Nacht
Clock Tower
Alone In The Dark
Tie Fighter (feat. MAFFAI)
Haze
Almanach
The Void
Out Run
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