Lest die Review zu "No Future" von MUSA DAGH bei krachfink.de

Musa Dagh – No Future – Review

Es wäre vollkommen in Ordnung gewesen, wenn MUSA DAGH auf ihrem zweiten Album „No Future“ einfach ein schönes Abziehbild des Noise-Rock-Sounds vom gerade vor einem guten Jahr erschienenen Debüt gemacht hätten. Haben sie aber nicht. Stattdessen haben Aren Emirze (HARMFUL, EMIRZIAN, TASKETE!) und Aydo Abay (BLACKMAIL, KEN, FREINDZ), gemeinsam mit Neu-Schlagzeuger Sascha Madsen (MADSEN), alles Überflüssige abgenagt und präsentieren uns jetzt die rohe Essenz des Rocks. Die perfekte Balance zwischen Faust und Herz.

„No Future“ ist angenehm unberechenbar und wirkt herrlich aus dem Bauch heraus gespielt. Stoßrichtung immer nach vorne, geradeheraus. Damit das nicht zu spröde klingt, durchbricht Aydo die akzentuierte Wucht mit seiner markanten Stimme und poppigen Harmonien. Im Ergebnis klingt das noch zwingender, als auf der „s/t“ Platte und die Aufnahmen von Moses Schneider vermitteln das Gefühl, dass die Band schwitzend und mit Schmackes direkt vor unseren Augen live spielt.

MUSA DAGH, 2023 Foto von Christoph Eisenmenger

Beide Extreme ausgereizt

Wie sehr MUSA DAGH dann doch ins Detail gehen, macht sich erst bemerkbar, wenn man auch auf die Texte achtet. In „Algorithms & Alcohol“ trommelt Sascha Madsen, als ob es um sein Leben ginge, unkonventionell gegen die Norm an, während Aydo über die Formelhaftigkeit von Radiosender und den konstruierten Ausverkauf von Gefühlen klagt. Damit abstrahiert die Band die Realität, denn der bittere Refrain von Aydo mag noch so poppig und schmeichelhaft sein, ins Formatradio schafft man es mit diesem abseitigen Takt im Hintergrund sicherlich nicht so leicht.

Damit stellen sich MUSA DAGH in den Windschatten von Bands wie QUEENS OF THE STONE AGE, die auch viele ihrer Songs bewusst so gestaltet haben, dass sie am Ende ausgefadet werden mussten oder es erst gar nicht in die Sender geschafft haben. Auch „Your Garden“ entscheidet sich bewusst gegen Konformität. Arenz rast übers Griffbrett und Sascha pflügt gefühlt den kompletten Garten um, während Aydo sich offensichtlich in aller Seelenruhe mal nach den Blumen umschaut. Eine absurde Kombination, die theoretisch schwer umsetzbar klingt, aber in der Realität ganz natürlich verschmilzt.

Und da wo MUSA DAGH auf „s/t“ den Ursprung ihres Bandnamens mit einem abschließenden Streicherarrangement zelebriert haben, kommt die Türkei nun in „Congaah“ zum Tragen. Wer mehr über das Debüt und die Entstehung der Band erfahren möchte, kann gerne dazu die Podcastfolge mit Musa Dagh zum letzten Album „s/t“ beim krachfink.de Podcast anhören.

Perfekte Balance von Herz und Faust

Wenn MUSA DAGH in Songs wie „Rhythm Pigs (A.F.M.D.)“ oder „Weekend Warrior“ richtig garstig und so hart werden, wie es auf dem Debütalbum nie möglich gewesen wäre, ziehen sie eine scheinbar unüberwindbare Mauer hoch. Das drückt uns als Hörerinnen und Hörer im ersten Moment rüde an die Clubwand und lässt die Haare straff nach hinten wehen. Aber MUSA DAGH kontern sich immer im richtigen Moment selbst, auf die maximal kontrastreichste und überraschendste Art und Weise.

Dann kommt nämlich wieder Aydo ins Spiel, der offensichtlich unbeeindruckt seinen süß-schaumigen Teil zur Sache beisteuert. Gerade diese ineinanderlaufenden Extreme machen „No Future“ von MUSA DAGH nochmals so viel kräftiger. Wenn schon keine Zukunft, dann bitte mit Vollgas in den Abgrund brettern („VU“), wenn auch nur musikalisch.

Allerdings ist „No Future“ kein Album für die Dauerbeschallung, einfach, weil es MUSA DAGH uns komplett überrollen und platt machen. So muss das aber auch! Die Kerls treten jetzt auch live auf, checkt die Daten und lasst euch mal richtig wegblasen.

Dauer: 34:36
Label: Hayk Records/Cargo)
VÖ: 14.04.2023

Tracklist „No Future“ von MUSA DAGH
Bossanova USA
Rhythm Pigs (A.F.M.D.)
No Future
Algorithms & Alcohol
0200 Hours
Congaah
VU
Weekend Warrior
Your Garden
Me Two

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