Peter Muffin Trio Stuttgart 21

Peter Muffin Trio – Stuttgart 21 – Review

PETER MUFFIN TRIO, das sind Julian und Philipp Knoth und Cali, ob sie wirklich so lange gewartet haben, bis der Albumname „Stuttgart 21“ einen spaßigen Sinn ergibt, ist unklar. Zuzutrauen ist es ihnen. Denn gehetzt von Trends oder Leistungsdruck sind die Drei mit Sicherheit nicht. Aber angestaubt und träge eben auch nicht. Was gibt es also zu hören, wenn Julian (DIE NERVEN, PETER MUFFIN…), Cali (ZIRKEL) und Philip (ex-DIE NERVEN, KARIES) ihre Kompetenzen auf einen Haufen werfen und gemeinsam musizieren? Ein musikalisches Wimmelbild, an dem man sich nicht satt hören kann.

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PETER MUFFIN TRIO 2021, Foto von Marina Buneta

Da wären der philosophische Ansatz, die schräge und ungewöhnliche Auseinandersetzung mit der Welt um uns herum, die originelle, musikalische Spiegelung dessen und die hohe, musikalische Kompetenz. Im Zusammenhang mit PETER MUFFIN TRIO scheint Julian Knoth nahezu entfesselt, sein Ausdruck ist deutlich gelöster und so offensiv persönlich waren die Texte bisher nicht („Zu Tun“, „Ich kann nicht warten“). Die Bands präsentiert uns – wenn auch anders artikuliert, aber ähnlich wie FRITZI ERNST – die pure Realität. Die verschwiegene, die kollektiv gefühlte, auf die man sich grundsätzlich geeinigt hat und die eigene.

Abseits von Schönmalerei

Sie stellen Fragen, indem sie feststellen und kritisieren in „An allen Tagen“ die allseits beliebte Schönmalerei und der schon fast zwanghafte Drang, sich nur den lustigen und schönen Momenten zuzuwenden. Die Musik auf „Stuttgart 21“ ist mit Sicherheit keine zufällige Staffage, doch PETER MUFFIN TRIO gehen auch nicht den einfach Weg und flankieren lediglich ihre Inhalte mit Tönen. Nein, sie eröffnen eine neue Ebene, sodass man „Melancholie“ auch ohne Worte erspüren könnte. Repetition wird, wie in diesem Fall, auch immer sehr zweckdienlich und sparsam eingesetzt. Hippokrates beschrieb den Zustand der Melancholie übrigens als Ergebnis eines Überschusses an schwarzer, verbrannter Galle.

Verschachtelt, verspielt und in den richtigen Momenten auch verkopft

Man kann PETER MUFFIN TRIO zweifelsohne eine besondere Chemie bestätigen, denn was im von allen Seiten beschossenen „Ich kann nicht warten“ ganz laut und beim lässig ausscherenden „Fehler“ eher unaufgeregt, schon fast beiläufig passiert, ist besonders und nicht reproduzierbar. Alles scheint untrennbar, Bassistin Cali und Schlagzeuger Philipp geben sich nicht damit zufrieden nur 08/15 Rhythmus abzuliefern. Beide fliegen häufig frei, starten Alleingänge und trotzdem wirkt alles ausnahmslos inspirierend und niemals chaotisch. Als Bassist*in würde ich da mal aufmerksam werden und „Stuttgart 21“ als Argumentationsgrundlage zu den nächsten Verhandlungen mitbringen, wenn die anderen wieder behaupten wollen, dass der Bass ruhig im Takt bleiben und bisschen leiser gedreht werden kann. Auffällig ist auch die stark ausgeprägte verspielte, ja schon fast kindliche Seite, die sich im hakelig hüpfenden Takt von „Immer im Weg“ oder im herrlich albern steil gehenden „Supercool“ zeigt.

Frag dich bitte nicht, was das bringt!

„Stuttgart 21“ von PETER MUFFIN TRIO ist Kunst im besten Sinn, liebevoll ausgeschmückt mit vielen Instrumenten, deren Auftritte so kurz sind, dass es sich eigentlich kaum lohnt, den Instrumentenkoffer zu öffnen. Mit Geräuschen, die beiläufig wirken und doch den letzten, besonderen Punkt auf die Kompositionen setzen. Aber erst wenn man sich nicht fragt, was das bringt und den Aufwand in kein Verhältnis setzt, dann entsteht etwas wirklich Besonderes. Wahrscheinlich gibt es wenige Bands, die noch mehr auf Jahresbestenlisten pfeifen als dieses Trio, aber bei mir auf jeden Fall im jährlichen Ranking jetzt schon ganz vorne.

Dauer: 38:31
Label: Glitterhouse Records
VÖ: 25.06.2021

Tracklist „Stuttgart 21“ von PETER MUFFIN TRIO
An Allen Tagen
Supercool
Wir Sehen Uns Morgen
Winter
Zu Tun
Melancholie
Ich Kann Nicht Warten
Immer Im Weg
Fehler
Falsche Richtung SUV
Stuttgart Am Meer

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