Maedness Maed Love

Mädness – Mäd Löve – Review

Für sein neues Album „Mäd Löve“ hat der Rapper MÄDNESS in Aussicht gestellt, noch offener zu sein und sich und uns mehr mit Schwächen zu konfrontieren. Die Einordnung fällt erstmal schwer, wenn sie von einem kommt, dem sowieso schon der Zusatz „de Gude“ anhaftet. Doch wie zu erwarten war, hat auch er einige Tiefen durchlitten, kommt mal ins Schlittern und steht jetzt vor der Erkenntnis, dass man mal einiges angehen konnte und vieles rückblickend einfach große Scheiße war.

Aber der Gute wäre nicht auf der Suche nach dem Besten, wenn er das jetzt nicht auch mit Hilfe von Hip Hop charmant transportiert bekommen würde. Und so ist es ihm tatsächlich gelungen, auf Basis von durchweg smoothen Beats und einem entspannten Unterton, kein Stück larmoyant zu wirken.

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MÄDNESS, 2021, Foto von Robert Winter

Vom Cypher auf dem Weg nach innen

MÄDNESS nimmt gleich im ersten Song „2 Cent“, die Schleife über OG. Während das noch der Titel seines letzten Albums war, wenn auch da schon augenzwinkernd, nimmt er jetzt die Liebe in den Titel. Ok, mit „ö“, um es noch etwas abzuschwächen, aber immerhin mit starkem Willen auf dem Weg dahin. Während es im Cypher früher eher darum geht, nach vorne zu drücken, zu improvisieren und im Moment zu leben, hat MÄDNESS nun genau die andere Richtung eingeschlagen. Überlegen, reflektieren, Zeit lassen und mehr auf die eigene Wirkung, als auf den nächsten Punch achten. Auch das im Artwork immer wieder auftauchende Flower-Power-Motiv ist nicht zufällig gewählt.

De Gude auf dem Weg zum Besten

Es klingt so ultraplump, aber letztendlich ist es die Liebe, die alles regelt. Liebe zu anderen, zu Dingen, zu Handlungen und im besten Fall zu sich selbst. „Was habe ich getan?“, unterlegt von einem herrlichen Motown-Loop, befasst sich mit der Tatsache, dass man im Leben manchmal Liebe ranken muss, dass sich unterschiedliche Lieben miteinander beißen. MÄDNESS Liebe zur Musik war offensichtlich in der Vergangenheit so groß, dass er anderes dem untergeordnet hat. Aber am Ende wird die Abrechnung gemacht und da fließt dann doch aus dem Business weniger auf das echte Emotionskonto, als gedacht. Das folgende „Boot“ feat. MINE zeigt im Video sehr schön, wie zerbrechlich Beziehungen jeglicher Art sind. Wie überheblich man meint, viel zu investieren, aber dann doch den wahren Einsatz scheut und wie schnell alles kaputtgeht, wenn man unvorsichtig ist und durch die Gegend poltert.

Die Notbremse gezogen

MÄDNESS thematisiert wirklich viele Unzulänglichkeiten, dabei war man sich schon beim letzten Album gar nicht sicher, ob der abschließende Song „Ich machs nochmal neu“, mit dem er sich an seine Familie wand, nicht zu viel gewesen ist. Letztendlich hilft er damit aber, die fest verankerten Macho-Strukturen im Hip Hop aufzubrechen. So ist sein Beitrag deutlicher größer, als der derjenigen, die sich in irgendwelche Panels setzen, schlau rumquatschen und doch nichts kapiert haben. „Klar“ feat. Knixx ist etwas härter, man merkt den Druck und die Wut über sich selbst, die hier mitschwingen. Es geht um Alkoholismus, den Wunsch nach Betäubung, die Ursache und Folgen dessen. „Ich komme nicht klar, wenn ich klar bin…“ eine Line, die zwar nicht von MÄDNESS direkt gesungen wird, aber die eigene Hilflosigkeit auf den Punkt bringt. MÄDNESS fügt dann noch hinzu: „Ich bin leider nur ein Stammgast, ich hätte das auch gern anders“.

Erkenntnis hat natürlich immer zwei Aspekte. Man hat was begriffen, fängt aber auch an zu bereuen. MÄDNESS teilt sein „Mantra“ mit uns, sein akzentuierter Flow harmoniert herrlich mit dem schon fast erotischen Beat. Sein Gesang fadet aus, ein schönes Stilmittel, um zu zeigen, dass hier das letzte Wort mit Sicherheit noch nicht gesprochen ist und man sich immer in einem Prozess befindet.

Wem hilft das?

Wem hilft das und ist das jetzt reine Selbsttherapie? Nein, überhaupt nicht, denn MÄDNESS ist Hip Hop durch und durch, fest verbunden mit der kompletten Kunst. Dementsprechend steht die Verschmelzung von Beats und Text immer im Vordergrund, auch wenn er uns nicht 808er um die Ohren haut und alle Songs sind harmonisch, wenn auch häufig mit bitterem Unterton. Die Stimmung steht auf der Kippe und zwar genau zwischen Ende und Anfang. Mit „Wir haben recht behalten“ gibt uns MÄDNESS noch eine Hymne für das Scheitern an die Hand. Denn mitnichten gab es nur reine Niederlagen in seinem Leben. Sich gerademachen in bestimmten Momenten, mag manchmal schwer sein. Nicht jedem Label gefügig zu sein und nicht jeden Marketingscheiß mitzumachen, bedeutet nicht nur weniger Kohle auf dem Konto, sondern auch Diskussionen. „Bub, warum machst du denn nicht was Gescheites?“, mit Sicherheit hat er das schon so oder so ähnlich gehört.

Aber MÄDNESS ist rückblickend damit zufrieden, sich in dieser Hinsicht treu geblieben zu sein. Denn so manche, die an ihm vorbeigeprescht sind, stehen in der Bilanz jetzt schlechter da und sind ärmer an Emotionen, echten Begegnungen und aufrichtigen Gesprächen. Das zählt am Ende mehr, als Geld. Und schöner, als mit „Mittelfinger“ könnte MÄDNESS das Album nicht abschließen. Musikalisch ist das, mit den schon fast schmeichelnden Bläsern und dem sexy Bass, wohl die sanfteste und netteste, vorstellbare Form von Protest. Aber seine Worte sind mehr als deutlich und lassen keine Unsicherheit im Hinblick auf die Adressaten des Mittelfingers. Er ist halt ein Guter, auch die Guten dürfen scheitern.

Tracklist “Mäd Löve” von MÄDNESS
2 Cent
Endlich wieder
Handbremse
Was hab ich getan?
Boot feat. MINE
Klar feat. KNIXX
Mantra
Es tut gar nicht so weh
Wir haben recht behalten
Mittelfinger

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