Liturgy – 93696 – Review
Mit „93696“ legt die Blackgaze, Post-Black-Metal-Band aus Amerika ein Doppelalbum vor. Moment, was? Ein Doppelalbum von LITURGY? Das ist die musikgewordene Version von Cola mit Mentos! Wo ist der Warnhinweis? Der fehlt natürlich, genauso wie der Hinweis, dass ihr euch danach auf jeden Fall anders fühlen werdet, als vorher.
Von jeher hat die abseitige Musik eine extrem seltsame Wirkung, gibt einem das Gefühl, nach diesem Wahnsinnssound klarer im Kopf zu sein und eine neue Möglichkeitsebene von Musik entdeckt zu haben. Rein längenmäßig ist auf „93696“ einfach alles dabei, ein Epos mit vierzehn Minuten existiert ganz selbstverständlich hinter scharf geschliffenen Kompositionen, die unter zwei Minuten ins Ziel laufen.
Lieben oder hassen?!
Ich liebe LITURGY und kann aber genauso gut verstehen, dass es viele nicht tun. Nach „93696“ wird sich an der Verteilung auch nicht viel ändern. Denn die Band macht eigentlich nicht viel anders als sonst. Außer, dass sie weiterhin alles anders machen, als die Anderen. Und wer jetzt erwartet, von dem positiven Wahnsinn hier einen detaillierten und allseits belastbaren Eindruck zu bekommen, verlangt das Unmögliche. Es gibt einige wiederkehrende Tricks und Elemente auf dem neuen Album „93696“, würde man die Platte direkt hinter „The Ark Work“ legen, es würde vom atmosphärischen Verlauf perfekt anschließen.
Verschlungenes Labyrinth aus Tönen
Es gibt auch wieder zahlreiche moshbare Parts, die sehr organisch klingen und schlichtweg von jeder anderen guten Metalband kommen könnten („Caela“, „Haelegen II“). Es geht viel mehr um das interessante Labyrinth aus Tönen, dass LITURGY um sie herum entstehen lassen. Dieses ungewöhnliche Ambiente, in dem Math-Drums gegen imaginäre Köpfe und Wände trommeln, Pfeifen gegen Schreie arbeiten und dann urplötzlich Klavier mit einem Stapfbeat eskaliert, das macht den Reiz aus.
Man kann vielleicht festhalten, dass die Schreie von Haela Ravenna Hunt-Hendrix weiterhin bis zum Anschlag dramatisch sind und gerade im Kontrast mit den opulenten Oper-Szenen besonders gut wirken. Sie lassen sich eindeutig nicht nur oberflächlich dem Genre Black Metal zuordnen, sondern ganz konkret dem Depressive Black Metal. Und zum Stichwort Drama: In dem anschließenden Song „Antigone II“ ist die titelgebende Tragödie allgegenwärtig. Grundsätzlich steckt LITURGYs neuem Album wohl so viel drin, wie niemals vorher.
Etwas komplizierter, als Postleitzahlen
„93696“ ist selbstredend nicht die Postleitzahl der coolsten Pommesbude der Stadt, sondern eine Zahl, die von den Religionen des Christentums und dem Thelema abgeleitet wurde und für eine numerologische Darstellung des Himmels oder ein neues Äon für die Zivilisation steht. Haela Ravenna Hunt-Hendrix versucht sich damit an den vier eschatologischer Möglichkeiten, die da wären: Souveränität, Hierarchie, Emanzipation und Individuation. Ok, cool. Wie viele sind jetzt raus? LITURGY sind auch keine Band, die man verstehen muss, es geht darum, etwas Neues zu erfahren und schon alleine dadurch den Horizont zu erweitern.
Dauer: 1:22:12
Label: Thrill Jockey
VÖ: 24.03.2023
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