Tijan Sila – Krach – Review
Wenn einer wie Tijan Sila ein Buch namens „Krach“ schreibt, dann ist eine Review auf krachfink.de dazu auf jeden Fall Pflicht. Der Pfälzer weiß nämlich, wovon er schreibt, wenn er von ranzigen JUZ und AZ berichtet, von dem ständigen „uff die Gosch kriege“ mit Nazis und anderen, die Stunk wollen. Immerhin ist er selbst noch als Gitarrist der sehr stabilen Punkband KORREKTE DRINKS aktiv, checkt die mal bei Bandcamp aus und gönnt euch den Hit „Menschenfresser“.
Voll uff die Gosch
In seinem Roman „Krach“ blickt Tijan Sila auf die Punkerjugend der Neunzigerjahre in der Pfalz zurück. Einige der Orte sind mir bekannt und auch einiger der sehr authentischen Redewendungen. Wir sind nah dran an Gansi und seiner Band PUR JUS, benannt nach einem Saft, die lange Wege auf sich nimmt, um irgendwo vor zwei oder zehn Abgerissenen ihre Songs zu schmettern Wir wissen alle, dass es eher darum geht, unterwegs zu sein und so viele Gleichgesinnte wie möglich zu treffen.
Daheim ist Gansi kein offensichtlicher Störfaktor, im Gegenteil, man kann das Verhältnis zu seinem erfolgreichen, großen Bruder aus Heidelberg, seinen beiden durchgeknallten Sitzenbleiber-Zwillinsgschwestern und seinen sehr entspannten Eltern, als liebevoll beschreiben. Seine komplette Welt dreht sich weniger um das anstehende Abitur, sondern um den Umgang mit seiner Clique. Die Wortwahl ist den Begebenheiten angepasst, ohne peinlich und zwanghaft auf jugendlich getrimmt zu sein. Poetische Schönmalerei sucht man in „Krach“ vergeblich.
Der Krieg hat Spuren hinterlassen
Der Autor Tijan Sila kam 1994 mit seiner Familie aus Sarajevo nach Deutschland, dementsprechend lässt er auch diese Erfahrungen einfließen. Gansi wird eindeutig als Flüchtender benannt, aber niemals darauf reduziert. Stellvertretend dafür ist ein ihm bekannter Junge, der bereits abgeschoben wurde und nun in Drogen sein Heil sucht. Hauptfigur Gansi versucht das so gut es geht zu ignorieren, aber „Krach“ mahnt uns immer wieder, dass die damalige Situation nicht für alle gut ausging und politische Entscheidungen viele menschliche Opfer forderte. Auch wenn diese nicht direkt vor ein Gewehr liefen, sondern stattdessen die psychischen Nachwirkungen des Krieges niemals verarbeiten konnten. Das ist allerdings ein immer wieder auftauchender Nebenstrang.
„Krach“ hangelt sich eher von Auftritt zu Auftritt und von Schlägerei zu Schlägerei. Um im Schreibstil zu bleiben: Es gibt öfter mool was uff die Gosch! Besonders charmant, sind die beschriebenen Prinzipien, die damals ernste Punker-Gesetze waren, denn natürlich dachten die vom Dorf, dass sie auf jeden Fall besser drauf sind, als die in den angrenzenden Städtchen. Cool in Mannheim sein, das konnte nun wirklich jeder.
Dorfpunks dreht auf!
Von daher ist „Krach“ ein Mut machendes Buch, für alle Rebellischen, die fernab der Großstädte aufwachsen und denken, dass sich nur dort richtig feiern und rebellieren ließen. Und selbst wenn die beschriebenen Konzerte scheiße sind – unter uns, die meisten Konzerte sind eher scheiße und tatsächlich wertvoll ist alles außen rum – dann macht das Buch doch richtig Lust darauf, sich auch endlich mal wieder ins vollgepackte Auto zu setzen und in irgendeinem kleinen Club mit viel zu lauter Musik Spaß zu haben. Natürlich bleibt es bei der Beschreibung der Jugend nicht aus, dass „Krach“ sich auch der Liebe zuwendet. Die kam und ging damals deutlich schneller, als später und Tijan Sila gelingt es, die Zuneigungen authentisch zu beschreiben, ohne in peinliche Teenieverwirrungen abzudriften. Ein kurzweiliger Roman.
Seiten: 272
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
ISBN-10: 3462053752
ISBN-13: 978-3462053753
VÖ: 06.05.2021
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Hallo! Irgendwie richtig guter Roman, habe mich und meine Jugend darin wiedererkannt und kann das Buch echt empfehlen. Servus, Ronja