Alarmsignal – Insomnia – Review
Wir schreiben das Jahr 2025, und das bedeutet ein Vierteljahrhundert ALARMSIGNAL. Feeling old now? Mit „Insomnia“ setzt die Punkband aus Celle die Schlaflosigkeit als zentrales Thema in den Mittelpunkt. Auch wenn das auf ein Ohnmachtsgefühl und das separate Gefühl des Ausgeliefertseins im Verbund mit Angst, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit anspielt, ist das in den Kompositionen nicht wirklich zu spüren. Die Vier – inklusive neuem Gitarristen Tom – ziehen dynamisch nach vorne wie eh und je, erlauben sich – ebenfalls wie eh und je – auch gerne mal griffige Pop-Elemente, die sich in der Melodieführung oder ganz simplen Oho-Chören wiederfinden.
Im Detail piekst das manchmal, im Gesamten überzeugt das wieder. Was man ALARMSIGNAL immer hoch anrechnen sollte, ist die konsequent ernsthafte Auslegung des Genres Punk. Es geht um Inhalte, auch das vermeintliche Kleinklein hat massive Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. ALARMSIGNAL werden im besten Sinne konkret, sind selten schwammig und ziehen den Rahmen bewusst nicht zu groß.
Die Diskrepanz auf „Insomnia“ ist groß
Und so steigt „Insomnia“ von ALARMSIGNAL gleich mit einer echten Begebenheit ein. Gemeinsam mit Sebastian Madsen von… na?… MADSEN erzählen sie in Intro und erstem Song die Geschichte des sehbeeinträchtigten A. aus Syrien, dessen Schwester ihm mit den Worten „You will be safe to rest your eyes“ dabei half, seine Flucht aus Syrien durchzustehen. Die Themen auf der Platte sind überwiegend nicht vergnügungssteuerpflichtig, häufig ist die Diskrepanz zwischen Musik und Inhalt aber schwer auszuhalten. Ein Umstand, dessen Akzeptanz sich die Band über die Jahre erspielt hat, ebenso wie das Selbstbewusstsein, ihre Musik nicht scherbelig aufzunehmen. Wie beim Vorgänger „Ästhetik des Widerstands“ ist Michael Czernicki (ROGERS, 100 KILO HERZ, KOPFECHO) für die saubere Produktion verantwortlich. Live können ALARMSIGNAL den Kompositionen dann ihre Ecken und Kanten reinbimmeln, aber aus der Anlage kommt erstmal nur feiner Sound.
Eingängige Melodie und spürbarer Biss
Ausgehend von der eigentlich einfachen Punk-Formel, wirken der Break in „Laika“ oder die zuckende Synthie-Weite von „Neonlichter“ tatsächlich experimentell. Aber ALARMSIGNAL bleiben ihrem Stil auf „Insomnia“ grundsätzlich treu. Musikalisch und leider auch inhaltlich sind ALARMSIGNAL zeitlos, das liegt einerseits an ihnen, aber auch daran, dass sich zu manchen Sachverhalten offensichtlich so gar nichts verändert. Da ALARMSIGNAL eher Chronisten mit Instrumenten sind, ist der Debatte auch nicht wirklich Neues zuzufügen. Und es gibt mit Sicherheit einige, die sich von den Texten gegen das Patriarchat, über innere Kämpfe, das Verzweifeln an großen Problemen und die Angst vor kalten Herzen angesprochen fühlen.
Was „Insomnia“ am Ende bemerkenswert macht, sind die mit aller Wucht geschmetterten, eingängigen Melodien („Tape“, „Dystopia“) und der spürbare Biss, mit dem ALARMSIGNAL hinter ihrer Kunst stehen. Würde „Insomnia“ einen konzeptuellen Ansatz verfolgen, müssten ALARMSIGNAL nur Adagios komponieren.
Dauer: 31:12
Label: Aggropunk / Edel
VÖ: 17.01.205
Tracklist „Insomnia“ von ALARMSIGNAL
You will be safe to…
Rest Your Eyes (feat. Sebastian Madsen)
Scherbe / Licht
Unser Tape
Kein Vaterland
Dystopia
Laika
Neonlichter
D’accord (feat. Mel von SHIRLEY HOLMES)
Nichts sehen, nichts hören
Zusammen untergehen
Manifest (feat. Beckx von F*CKING ANGRY)
Deutsch mich nicht voll! (feat. Chris von KOTZREIZ)
Johanna
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