Lest die Review zu "Gute Laune, ungerecht verteilt" bei krachfink.de

Kettcar – Gute Laune, ungerecht verteilt – Review

Viele bezeichnen KETTCAR als ihre absolute Lieblingsband, alleine deshalb ist das neue Album “Gute Laune, ungerecht verteilt” vor vorne herein ein Highlight im laufenden Musikjahr 2024. Noch dazu ist die Veröffentlichung der letzten Platte “Ich vs. wir” bereits sieben Jahre her. Distanz zwischen Band und Fans ist mit Sicherheit nicht entstanden, denn KETTCAR sind eine der wenigen deutschen Bands, die sich sofort vertraut anfühlen, ganz gleich wie lange man nichts von ihnen gehört hat. Da wo anderen noch verklausulieren, ihre Emotionen chiffrieren oder intellektuell aufblasen, finden KETTCAR direkte Worte.

Passiert ist einiges in den letzten Jahren, besser wird’s irgendwie nicht mehr. Sänger, Texter und Gitarrist Marcus Wiebusch hat also genug zu verarbeiten und seine Gedanken – gemeinsam mit Erik Langer, Reimer Bustorff, Lars Wiebusch und Christan Hake – in Songs gegossen. Es ist nicht alles schön, was wir zu hören bekommen, denn die Realität können KETTCAR leider auch nicht ändern. Auf Schmerzen zu deuten, stößt aber letztendlich einen Heilungsprozess an und so fühlt man sich nach jedem Durchlauf von “Gute Laune, ungerecht verteilt” etwas besser als davor.

Lest die Review zu "Gute Laune, ungerecht verteilt" bei krachfink.de
KETTCAR 2024, Foto von Andreas Hornoff

Schlag in die Magengrube zur Begrüßung

“Mittelmeer, Massengrab”, das sind die ersten Worte, die KETTCAR auf “Gute Laune, ungerecht verteilt” singen. Zur Begrüßung ein Schlag in die Magengrube, war zu erwarten bei einer Platte namens “Gute Laune, ungerecht verteilt”. Chris Hell von FJØRT stößt für den Song “München” dazu, übernimmt den Refrain, das passende Video wird von Szenen der NSU-Tatorte bebildert und steht stellvertretend dafür, dass ein deutscher Pass mitnichten vor Ausgrenzung schützt. Wohl einer der lautesten Momente der Platte, aber mit Sicherheit nicht der intensivste. Die popkulturellen Textcollagen von KETTCAR wabern nicht planlos umher, es wird oft sehr konkret. KETTCAR utopieren vom Zusammenschluss von Pflegerinnen und Paketboten oder hinterfragt die scheinbar glasklare Cancel-Culture (“Kanye in Bayreuth”).

Popkulturelle Textpassagen

Die markante Stimmfarbe und die eindringlichen Texte von Marcus Wiebusch nehmen natürlich zu Recht sehr viel Raum ein, dominieren jeden Song. Das ist mit Sicherheit ebenso ein eindeutiges Plus für KETTCAR, aber in manchen Situationen eben leider auch ein Manko. Denn abgesehen von schlauen Gedanken und Stich-ins-Herz-Texten, haben KETTCAR auch musikalisch viel zu bieten und das findet oft in der zweiten Reihe statt.

“Gute Laune, ungerecht verteilt” kann man sowieso nicht in einem Durchlauf erfassen, es lohnt sich also auch mal ein Ohr auf die Kompositionen selbst zu fokussieren. Wenn uns Wiebusch die grünen Hügel hinauf hetzt, dann transferiert die Band den Tatendrang und die Aufbruchstimmung ansteckend in Töne. Entscheidend ist häufig das Schlagzeug, ganz ohne aufwendig Drum-Rolls oder Doublebass wird hier einfühlsam unterstrichen, worum es zwischen den Zeilen geht.

Kitt für den Seelenschmerz

Für manche ist “Gute Laune, ungerecht verteilt” vielleicht ein bisschen zu viel Information, zu viel starke Meinung und zu viele gute Gedanken, auch über die unangenehmen Themen. KETTCAR perlen nicht an denen ab, die sich damit befassen wollen. Die Waage zwischen emotionaler Konfrontation und der Ration Kitt für den Seelenschmerz scheint am Ende ausgeglichen. Fühlt sich an wie nach Hause kommen, auch wenn es da einiges im Argen liegt.

Dauer: 45:36
Label: Grand Hotel Van Cleef
VÖ: 05.04.2024

Tracklist “Gute Laune, ungerecht verteilt” von KETTCAR
Auch für mich 6. Stunde
München (feat. Chris Hell von FJØRT)
Doug & Florence
Rügen
Kanye in Bayreuth
Blaue Lagune, 21:45 Uhr
Wir betraten die Enterprise mit falschen Erwartungen
Einkaufen in Zeiten des Krieges
Was wir sehen wollten
Bringt mich zu eurem Anführer
Zurück
Ein Brief meines 20-jährigen Ichs (Jedes Ideal ist ein Richter)

Artikel, die Dir gefallen könnten:
Interview mit ANDA MORTS zur EP “Montage”
FJØRT und SHITNEY BEERS live im Schlachthof Wiesbaden, 04.02.2023 – Konzertbericht
ANDA MORTS – Montage (EP)
FJØRT – nichts
KORA WINTER – Gott Segne, Gott Bewahre
BIRDS IN ROW – Gris Klein
KIND KAPUTT – Morgen ist auch noch kein Tag
TWINS – soon
NEUFUNDLAND veröffentlichen neuen Song “Streiflicht”
Podcast Folge 50 mit Hansol von SHORELINE zum Album “Growth”
SPERLING – Zweifel
Interview mit NATHAN GRAY über “Rebel Songs”
MATZE ROSSI – Wofür schlägt dein Herz
THRICE – Horizons/East
ANXIOUS – Little Green House
FIDDLEHEAD – Between The Richness
HIPPIE TRIM – Cult
LYSISTRATA – Breathe In/Out
COUNTERPARTS – Nothing Left To Love
DEFEATER – s/t
Kála – Synthesis
SAVAGE HANDS – The Truth In Your Eyes
NATHAN GRAY – Working Title
SUPERBLOOM – Pollen
Interview mit Michel von HAL JOHNSON zum Album “Seasons”
HAL JOHNSON – Seasons
Podcast Folge 10 mit Jojo von SPERLING zum Album “Zweifel”
KUMMER – Kiox
GOLDROGER – Diskman Antishock II
GOLDROGER – Diskman Antishock
Interview mit GOLDROGER zum Album “Diskman Antishock II”
BRAUNKOHLEBAGGER – Abbruch (EP)
TOT – Lieder vom Glück
RAUCHEN – Gartenzwerge unter die Erde
KEELE – Kalte Wände
KMPFSPRT – Kmpfsprt
THE HIRSCH EFFEKT – Kollaps
THE SCREENSHOTS veröffentlichen Video zu “Snacks”
BAZOOKA ZIRKUS – Ach, das könnte schön sein
HOROWITZ – s/t
das blühende leben – Liebe du Arsch
LYSCHKO live Press-Play-Show am 20.03.2021

KETTCAR bei Instagram

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert