Bipolar Feminin – Ein fragiles System – Review
Mit „Ein fragiles System“ legt die österreichische Rockband BIPOLAR FEMININ ein Debüt vor, das sich auf bemerkenswert charmante Art dem grundsätzlichen Widerspruch widmet. Es gibt massig Hass und Liebe, meist ausgewogen, für unterschiedliche Arten von Systemen und sozialpsychologische Reflexe, die unsere Gesellschaft am Leben halten, aber eben auch oft anstrengend machen.
Den eigenen Sound hat das Quartett verfeinert, wagt sich mutig weiter in Richtung Shoegaze oder Post-Rock und verstärkt damit den Kontrast zum bereits bekannten Grunge und Punk-Rock von der EP „Piccolo Family“. Was sofort ins Ohr springt und unter die Haut geht, ist die spürbare Annäherung innerhalb der Band. Das System BIPOLAR FEMININ ist enger zusammengerückt, Musik und Text sind gleichauf, was beides noch kräftiger macht.
Nicht ist wie es ist
Obwohl der Albumtitel „Ein fragiles System“ von BIPOLAR FEMININ erstmal den Eindruck erweckt, dass es nur ein großes, einziges System gäbe, ist es genau die Vielfalt von unterschiedlichen, strukturellen Systemen, auf die die Band im Detail eingeht. Unser eigenes Körpersystem, das dominante System des Kapitalismus, systematische Unterdrückung, systematische Ignoranz, auf den Rücken Anderer ausgetragen, das löchrige Gesundheitssystem oder fest verankerter Sexismus.
BIPOLAR FEMININ thematisieren in ihren Songs den täglichen Widerspruch und die Tatsache, dass wir zwar vieles abgrundtief verachten, aber trotzdem begünstigen und mit am Laufen halten. Auch die musikalischen Spitzen sind ausgeprägter, das macht die Kompositionen durchweg größer und schlichtweg besser. Eine Weiterentwicklung, die mit Sicherheit auch in Teilen dem Produzenten Fazo (BAITS, DEATHDEATHDEATH) zuzuschreiben ist.
Noch mehr auf den Punkt, weniger Angriffsfläche
Lenis Texte sind weiterhin rigoros und schlau, allerdings gelingt es ihr jetzt, sich selbst aus der Schusslinie zu bringen. Während sich beim Song „Süß lächelnd“ noch viele an der gewaltvolle Zeile „Ich stech euch alle ab“ festbeißen konnten, gibt es bei „Sie reden so laut“ keine Angriffspunkte, mit denen man von der eigenen Botschaft ablenken konnte. Trotzdem ist die Gegenüberstellung von verletzenden Phrasen, und die Reaktion auf diese, nicht weniger aussagekräftig. Die Sprache ist weiterhin ungeschliffen, es geht um Wichstaschentücher, Popel und heulen, bis man nichts mehr sieht oder eben darum, dass man manchmal einfach kotzen kann.
Verständnis für den Widerspruch
Max, Samu und Jakob reagieren noch sensibler auf die Inhalte, haben das Laut-Leise-Spiel optimiert. Bei „Tüchtig“ und „Mami“ wird, natürlich auch mit Leni, die ja auch Gitarre spielt, eskalierend drauf gedroschen. Der innere Kampf, das strikte Arbeiten gegen den eigenen Körper und die ständigen Selbstzweifel brechen sich auch musikalisch Bahn. Und alles fällt sofort in sich zusammen und wabert harmonisch dahin, wenn es in den Songs um Reflexion geht und diese Atmosphäre fordert.
„Ein fragiles System“ von BIPOLAR FEMININ ist trotzdem in erster Linie unterhaltsam, nicht pädagogisch oder unangenehm belehrend. Das liegt daran, dass auch die Musik emotional aufgeladen ist und zwischen allen Noten etwas Versöhnlichkeit und grundsätzliches Verständnis für Widersprüche liegt. Gleichzeitig erreicht die Band auch einen positiven Nachhall, ein dumpfes Gefühl dafür, dass man vieles selbst in der Hand hat. Wie man mit sich selbst umgeht oder wie man auf andere reagiert, man ist immer Teil eines Systems und gestaltet das mit.
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